Archiv Rechtsinformationen

[Inhalt]
[Vorheriger Text][Nächster Text]

Strafbare Verweigerung: Schulpflicht ist mehr als ein fachlicher Bildungsauftrag

Das Kind geht nicht in die Schule und die Eltern werden dafür bestraft. Dem im folgenden Fall zugrundeliegenden Hessischen Schulgesetz zufolge wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen anderen der Schulpflicht dauernd oder hartnäckig wiederholt entzieht. Ist das verfassungsgemäß?

Ein Elternpaar hat neun gemeinsame Kinder, von denen es bereits die fünf ältesten Kinder im eigenen Haushalt unterrichtet hatte. Nachdem sie ihren drei weiteren Kindern ebenfalls den Schulbesuch verweigerten, wurden sie zu Geldstrafen verurteilt. Dennoch hielten sie die drei Kinder weiterhin vom Schulbesuch ab. Hierbei beriefen sie sich auf "festgefügte und unumstößliche" Glaubens- und Gewissensgründe. Das Amtsgericht verurteilte die Eltern jedoch erneut in drei Fällen jeweils zu einer Gesamtgeldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 5 EUR.

Schließlich musste sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit der Angelegenheit beschäftigen. Es hat die Verfassungsbeschwerde der Eltern nicht zur Entscheidung angenommen. Der entsprechende Paragraph im Hessischen Schulgesetz ist formell verfassungsgemäß. Die Allgemeinheit hat laut BVerfG ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten "Parallelgesellschaften" entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren. Selbst ein mit erfolgreichen Ergebnissen einhergehender Hausunterricht verhindert nicht, dass sich die Kinder vor einem Dialog mit Andersdenkenden und -gläubigen verschließen. Deshalb ist dieser Weg nicht dafür geeignet, die insbesondere in einer Klassengemeinschaft gelebte Toleranz gegenüber einem breiten Meinungsspektrum nachhaltig zu fördern.

Hinweis: Eltern sind verpflichtet, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Tun sie dies nicht, kann es Buß- und Strafgelder geben. In Wiederholungsfällen kommen auch eine Gefängnisstrafe sowie der Entzug der elterlichen Sorge in Betracht.


Quelle: BVerfG, Beschl. v. 15.10.2014 - 2 BvR 920/14
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 12/2014)

[Vorheriger Text][Nächster Text]
[Inhalt]

 

[Startseite] [Archiv]