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Fairness im Verfahren: Bei Arzthaftungsprozessen wird der Stellungnahme ein besonderes Maß zugestanden

Ärztliche Gutachten und Stellungnahmen sind in der Regel nicht leicht zu verstehen. Umso wichtiger ist es daher, dass man in einem Prozess nicht aus mangelndem Fachwissen überrollt wird.

In diesem Fall ging es um einen ärztlichen Behandlungsfehler während einer Geburt. Eine Mutter wurde angeblich nur unzureichend über mehrere Stunden mit Sauerstoff versorgt, wodurch bei dem Kind eine schwerwiegende geistige und körperliche Störung verursacht wurde. Diese äußerte sich u.a. durch eine Epilepsie, eine zentrale Sehminderung und eine schwere psychomotorische Wachstumsverzögerung. Das Kind, vertreten durch die Eltern, verlangte nun Schadensersatz in Form eines Schmerzensgeldes von 150.000 EUR und eine Schmerzensgeldrente von monatlich 300 EUR. Das Gericht hatte mehrere Gutachten eingeholt und sich diese mündlich erläutern lassen. Drei Tage vor Ende des Prozesses in der ersten Instanz wurde durch die klagende Partei ein privatärztliches Gutachten vorgelegt, das die Behandlungsfehler unterstrich. Dieses wurde allerdings als verspätet zurückgewiesen.

Genau hierin lag der Fehler. Denn in einem Arzthaftungsprozess gibt es typischerweise ein Informationsgefälle zwischen der ärztlichen Seite und der des Patienten. Deshalb muss das Gericht hier in besonderem Maße für ein faires Verfahren sorgen. Dazu gehört es, einer medizinisch nicht sachkundigen Partei Gelegenheit zu geben, auch nach dem Vorliegen eines gerichtlichen Gutachtens unter Zuhilfenahme eines weiteren Mediziners zu schwierigen medizinischen Fragen Stellung zu nehmen.

Hinweis: Es war also nicht gerechtfertigt, der klagenden Partei die Chance zu nehmen, den gerichtlichen Sachverständigen mit den Einwänden des Privatgutachters zu konfrontieren. Das wäre jedoch für ein faires Verfahren erforderlich gewesen.


Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 30.01.2015 - 26 U 5/14
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 06/2015)

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