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Salomonisches Urteil: Hälftige Schadensverteilung nach Kollision zwischen freilaufendem Hund und Pedelecfahrer

Pedelecs, E-Bikes, Fahrräder, Scooter - man ahnt, dass es im folgenden Fall zu einer Kollision mit einem Zweirad kam. Dieses Mal war es ein motorunterstütztes Fahrrad - also ein Pedelec -, das mit einem Vierbeiner kollidierte. Und da ein Hund in aller Regel keinerlei sachdienliche Hinweise zum Unfallgeschehen machen kann, musste dessen Zweibeiner an seiner Stelle vor das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG), wo über die Schuldverteilung an der Kollision entschieden wurde.

Ein Fahrradfahrer war mit seinem Pedelec auf der Straße unterwegs. Auf der anderen Straßenseite befand sich ein Hund. Dieser wurde von dem Hundehalter gerufen; der Hund machte, was ein "guter Junge" eben so macht - er folgte dem Befehl und kreuzte "ordnungsgemäß" die Straße. Um eine Kollision mit dem Hund zu vermeiden, bremste der Pedelecfahrer ab, kam aus dem Gleichgewicht und stürzte schwer. Daraufhin forderte er vom Hundehalter Schadensersatz und Schmerzensgeld - doch die Versicherung verweigerte die Zahlung. Ihrer Ansicht nach habe der Pedelecfahrer so zu fahren, dass er auch bei unerwarteten Hindernissen noch anhalten könne.

Das OLG war hier anderer Meinung und verurteilte die Versicherung zur Zahlung der hälftigen Schadenssumme. Nach Ansicht der Richter ist eine Schadensteilung in dieser Situation durchaus angemessen. Denn zum einen hat der Pedelecfahrer zwar durchaus seine Geschwindigkeit so anzupassen, dass er auch bei auftauchenden Hindernissen noch gefahrlos abbremsen könne. Zum anderen aber habe sich im Verhalten des Hundes eine tiertypische Gefahr verwirklicht. Wenn ein erzogener Hund von seinem Halter gerufen wird, folgt er in der Regel diesem Befehl. Der Hundehalter hätte sich daher vergewissern müssen, dass diese Rückkehr gefahrlos durchgeführt werden konnte. Er hätte erkennen können, dass der herannahende Pedelecfahrer mit dem Tier kollidieren könnte.

Hinweis: Abzuwägen waren vom Gericht die von dem Hund ausgehende Tiergefahr und eine Mitverursachung des Pedelecfahrers. Ein Fahrradfahrer muss zwar grundsätzlich in der Lage sein, sein Pedelec rechtzeitig abzubremsen, um einem Hindernis auszuweichen. Die unzulängliche Reaktion des Hundehalters schlägt angesichts der durch seinen Hund ausgelösten Reaktion aber auch ins Gewicht, so dass der Pedelecfahrer nicht allein für den Unfall verantwortlich zu machen war. Das Verhalten des Hundes - und damit natürlich das seines Halters - war für den Unfall ebenfalls kausal.


Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.05.2022 - 13 U 199/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2022)

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