Ein Service von:
Martin Klein
Rechtsanwalt
Technologiepark 6, 91522 Ansbach
E-Mail: info@anwaltskanzlei-klein.de

[Inhalt]
[Vorheriger Text][Nächster Text]

Trotz Anscheinsbeweis: Bleifuß kann bei eigentlich unverschuldetem Unfall zur Mithaftung führen

Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung des Vorfahrtberechtigten von 50 % ist eine Mithaftung in Höhe von 30 % anzunehmen.

Ein Pkw-Fahrer befuhr innerorts eine vorfahrtberechtigte Straße. Von rechts kam ein Fahrzeug, das aus einer Seitenstraße links abbiegen wollte. Aus der Gegenrichtung kam ein weiteres Fahrzeug, das nach links in eben jene Seitenstraße abbiegen wollte. Im Unfallbereich war die Geschwindigkeit auf 50 km/h begrenzt. Der von rechts kommende Wartepflichtige fuhr unter Missachtung der Vorfahrt auf die Vorfahrtsstraße und kollidierte mit dem Fahrzeug des Pkw-Fahrers. Das Fahrzeug wurde durch den Stoß auf die Gegenfahrbahn in das dort regelkonform wartende Fahrzeug geschleudert. Von der Haftpflichtversicherung des die Vorfahrt missachtenden Verursachers verlangt der Geschädigte daraufhin volle Erstattung der ihm entstandenen Schäden.

Das Landgericht Kiel hat dem Geschädigten jedoch lediglich Schadensersatz in Höhe von 70 % zuerkannt. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hat bei einer Unfallrekonstruktion ermittelt, dass der Geschädigte vor dem Zusammenstoß mindestens 75 km/h gefahren ist. Zwar wäre bei Einhaltung der gebotenen Geschwindigkeit von 50 km/h der Zusammenstoß nicht vollständig vermieden worden, er wäre aber deutlich geringer und mit entsprechend leichteren Beschädigungen erfolgt. Auch wäre der weitere Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden Fahrzeug vollständig vermieden worden. Da der Geschädigte die zulässige Geschwindigkeit um 50 % überschritten hat, trifft ihn insofern ein Mitverschulden. Dies bewertet das Gericht bei Abwägung der wechselseitigen Verkehrsverstöße mit 30 %.

Hinweis: Grundsätzlich spricht bei einer Vorfahrtsverletzung der Beweis des ersten Anscheins für ein alleiniges Verschulden des Wartepflichtigen. Kann dieser allerdings nachweisen, dass der Vorfahrtberechtigte die zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten hatte, trifft diesen in der Regel eine Mithaftung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von etwa 50 % eine Mithaftung in Höhe von 1/2 bis 1/3 angenommen wird.
 


Quelle: LG Kiel, Urt. v. 16.09.2014 - 8 O 359/12
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2014)

[Vorheriger Text][Nächster Text]
[Inhalt]

 

[Startseite] [Archiv]