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Martin Klein
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Anscheinsbeweis kam mit Martinshorn: Wer auffährt, hat so lange Schuld, bis er das Gegenteil eindeutig beweisen kann

Bei einem Auffahrunfall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende entweder unaufmerksam war oder zu dicht aufgefahren ist. Will er diesen Anscheinsbeweis entkräften, muss er nachweisen, dass sein Vordermann ohne zwingenden Grund stark gebremst hat.

Eine Pkw-Fahrerin beabsichtigte, innerorts auf eine Vorfahrtstraße abzubiegen. Aufgrund einer auf rot geschalteten Ampel musste sie auf der Rechtsabbiegerspur anhalten. Hinter ihr kam ein weiteres Fahrzeug zum Stehen. Nachdem die Ampel auf grün umgesprungen war, fuhren beide Fahrzeuge an, um nach rechts abzubiegen. Während des Abbiegevorgangs vernahm die vorausfahrende Pkw-Fahrerin das akustische Signal eines Rettungswagens und bremste ihr Fahrzeug ab. Der hinter ihr fahrende Pkw-Fahrer fuhr auf. Seine Haftpflichtversicherung ersetzte der Pkw-Fahrerin deren Schaden nur zu 2/3 mit der Begründung, sie hätte wegen des Rettungswagens nicht bremsen dürfen.

Das Landgericht Hamburg hat die Versicherung zur Zahlung des restlichen Schadensersatzes verpflichtet. Der Beweis des ersten Anscheins spreche für das alleinige Verschulden des Auffahrenden. Dieser war entweder unaufmerksam oder zu dicht aufgefahren. Er konnte außerdem nicht beweisen, dass die vorausfahrende Pkw-Fahrerin ohne zwingenden Grund stark abgebremst hatte. Zudem war die Pkw-Fahrerin beim Wahrnehmen des Martinshorns verpflichtet, sich schnellstmöglich Kenntnis darüber zu verschaffen, von wo aus sich das mit Sonderrechten fahrende Rettungsfahrzeug annäherte. Weiterhin berücksichtigte das Gericht die Erklärung der Pkw-Fahrerin, sie habe normal abgebremst und nicht, wie der Auffahrende behauptet, eine Vollbremsung eingeleitet.

Hinweis: Um eine Mithaftung des Vorausfahrenden zu begründen, muss der Auffahrende nachweisen, dass der Vordermann ohne zwingenden Grund stark abgebremst hat. Ein zwingender Grund besteht, wenn andere oder der Bremsende selbst gefährdet oder geschädigt werden könnten.


Quelle: LG Hamburg, Urt. v. 21.10.2016 - 306 O 141/16
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 01/2017)

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