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Martin Klein
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Sichtfahrgebot für Radler: Hälftiges Mitverschulden einer Radfahrerin bei Sturz über gut sichtbares Erdkabel

Der Straßenverkehr ist bekanntlich voller Tücken. Wenn eine Radfahrerin zu Fall kommt, weil ein Erdkabel quer über dem Radweg lag, muss sie damit rechnen, nicht zu 100 % entschädigt zu werden. Warum, das erläutert im folgenden Fall das Oberlandesgericht Hamm (OLG).

Eine Radfahrerin stürzte über ein quer zum Radweg liegendes 4 cm dickes Erdkabel. Eine Warnung durch einen Mitarbeiter der zuständigen Firma gab es ebenso wenig wie ein entsprechendes Hinweisschild. Aufgrund der durch den Sturz erlittenen Verletzungen klagte die Radfahrerin auf Zahlung von Schmerzensgeld. Das Landgericht Essen (LG) sprach ihr unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens am Unfall in Höhe von 50 % Schmerzensgeld zu. Gegen diese Entscheidung legte die Radfahrerin Berufung ein. Sie wollte ein höheres Schmerzensgeld.

Das OLG jedoch bestätigte die Entscheidung des LG. Der Klägerin stehe kein höheres Schmerzensgeld als die 3.000 EUR zu. Grundsätzlich hafte zwar der Beklagte wegen des Unfalls, weil seine Mitarbeiter die Sicherstellung des seitlichen Kabelverlaufs oder zumindest eine Warnung herannahender Radfahrer pflichtwidrig unterlassen haben. Sie haben nicht darauf vertrauen dürfen, dass Radfahrer jeglichen von dem losen und daher potentiell rollenden Kabel ausgehenden Gefahren selbst rechtzeitig begegnen können. Dennoch war der Radfahrerin ein Mitverschulden von 50 % anzulasten, da sie gegen das Sichtfahrgebot verstoßen habe. Insbesondere war ihr vorzuwerfen, dass sie mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfuhr, obwohl das Kabel weder schwer erkennbar war noch überraschend auftauchte.

Hinweis: Das Sichtfahrgebot gebietet es nicht, dass Radfahrer ihre Geschwindigkeit auf solche Objekte einrichten, die sich zwar bereits im Sichtbereich befinden, mit denen sie - bei Anwendung eines strengen Maßstabs - jedoch unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen müssen. Dies betrifft etwaige Hindernisse, die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar sind oder deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist und auf die nichts hindeutet.


Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 25.06.2021 - 7 U 89/20
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2021)

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