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Scheidungsuntypische Konfliktsituationen: Härtescheidung ohne Trennungsjahr durch enthemmte Gewalt und Bedrohung

Im Allgemeinen wird eine Ehe erst geschieden, wenn die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben. Eine Ausnahme gilt, wenn die Fortsetzung der Ehe eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an diese Ausnahme stellt, sind hoch. Die Situation muss nach objektivem Maßstab so schlimm sein, dass schon der Zustand, noch verheiratet zu sein, nicht mehr hinnehmbar ist. Das Oberlandesgericht Dresden hatte vor diesem Hintergrund über die Frage der Scheidung einer Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres zu entscheiden. Seitens des Mannes wurde Gewalt ausgeübt. Er hatte die Frau mehrfach mit dem Tod bedroht und angekündigt, das Haus abzubrennen. Seinem Schwiegervater gegenüber wurde er tätlich. Die Frau zog daraufhin aus. Als sie zum gemeinsamen Haus zurückkehrte, drohte der Mann mit einem Hammer in der Hand, sie nicht mehr lebend vom Hof zu lassen. Nach dieser Sachlage sprach das Gericht die Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres aus.

Das Gericht betonte, dass Gewalt nicht ohne weiteres ausreichend ist, um vor Ablauf des Trennungsjahres die Scheidung verlangen zu können. Vorliegend habe aber der Mann die Frau bedroht, nachdem sie nicht mehr im Haus lebte - also nicht in einer scheidungstypischen Konfliktsituation und ohne vorausgehende Auseinandersetzung. Eine besondere Enthemmung sei daran abzulesen, dass sich die Gewalt des Mannes nicht nur gegen die Frau, sondern bereits in der Vergangenheit auch gegen Dritte gerichtet habe.

Hinweis: Dass das Gericht diese Umstände besonders aufführt, zeigt, dass die Härtescheidung nach wie vor nur ausnahmsweise erfolgen kann. Das Trennungsjahr abwarten zu müssen, bleibt weiterhin der Regelfall.


Quelle: OLG Dresden, Beschl. v. 16.04.2012 - 23 UF 1041/11
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2012)

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