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Sorgfaltspflichten beim Einfädeln: Einordnen in den fließenden Verkehr muss gewissenhaft abgeschlossen werden

Unter dem Einfahren im Sinne der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist die Fahrbewegung vom ruhenden in den fließenden Verkehr zu verstehen. Dieser Vorgang ist erst dann beendet, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat und jede Auswirkung des Anfahrvorgangs auf das weitere Verkehrsgeschehen ausgeschlossen ist.

Mit dem Merkmal des Einfahrens hat sich das Kammergericht (KG) erst kürzlich auseinandergesetzt. Mehrere Fahrzeuge hielten wegen Rotlicht vor einer Kreuzung. Der beklagte Pkw-Fahrer hielt mit seinem Fahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen. Der klagende Taxifahrer beabsichtigte, mit seinem Taxi aus der Taxihaltestelle auf eben diesen Fahrstreifen einzufahren. Als die Ampel auf Grün schaltete, fuhr der beklagte Pkw-Fahrer jedoch los. Es kam zu einem Zusammenstoß der Fahrzeuge, bei dem sich das Taxi in Schrägstellung bereits zum Teil auf dem Fahrstreifen befand.

Nach Auffassung des KG steht dem Taxifahrer kein Schadenersatzanspruch zu. Das Gericht argumentiert, dass gegen den Taxifahrer bereits der Beweis des ersten Anscheins für ein alleiniges Verschulden spreche. Der Taxifahrer habe bei dem Vorhaben, von dem neben der Straße befindlichen Taxihalteplatz in den Verkehr einzufahren, nicht die ihm durch § 10 StVO auferlegten besonderen Sorgfaltspflichten beachtet. Deren Anwendung ist im vorliegenden Fall auch dann nicht ausgeschlossen, wenn das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision bereits halb auf der Straße gestanden hat.

Hinweis: Der Vorgang des Einfahrens in die öffentliche Straße i.S.v. § 10 StVO wird nicht schon durch das Anhalten des Fahrers beendet, sondern erst dann, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat. Dies gilt es auch dann zu beachten und zu befolgen, wenn der Vorgang kurzfristig unterbrochen wird.


Quelle: KG, Urt. v. 27.02.2012 - 22 U 166/11
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2012)

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