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Äußerst schwerwiegendes Fehlverhalten: Mithaftung des Unfallgegners kann vollständig zurücktreten

Kommt es durch ein auf die Gegenfahrbahn geratenes Fahrzeug zu einem Frontalzusammenstoß mit Todesfolge, kann das Verschulden des Verursachers derart überwiegen, dass ein Mitverschulden seines Unfallgegners vollständig zurücktritt.

Der Sohn des Unfallopfers verlangt wegen der Tötung seiner Mutter von dem Unfallgegner Schadenersatz. Der Unfallverursacher geriet mit seinem Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn und stieß frontal mit dem Fahrzeug der unangeschnallten Mutter des Klägers zusammen. Zu dem Unfall kam es, weil der Unfallgegner abgelenkt war, da er seine auf dem Beifahrersitz sitzende Freundin küsste.

Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers argumentierte, dass der Verstorbenen durch Missachtung der Anschnallpflicht ein Mitverschulden in Höhe von 40 % angerechnet werden müsse.

Das Landgericht Saarbrücken hat dem widersprochen. Die im Rahmen der Gewichtung des Mitverschuldens vorzunehmende Abwägung kann dazu führen, dass einer der Beteiligten allein für den Schaden aufkommen muss. Die Richter argumentieren, dass ein Mitverschulden der Getöteten durch das grob verkehrswidrige Verhalten des Unfallgegners vollständig verdrängt wird. Dies sieht das Gericht darin begründet, dass der Unfallgegner von der Verkehrssituation derart abgelenkt war, dass er nicht bemerkt hat, dass er auf die Gegenfahrbahn geriet. Zudem war er zuvor bereits durch ein ähnliches Verhalten aufgefallen - eine Kollision konnte nur durch die schnelle Reaktion des Entgegenkommenden verhindert werden, als der Beklagte seine Freundin geküsst hatte und auf die Gegenfahrbahn geraten war. Der Unfallverursacher muss sich also vorhalten lassen, dass er diese glimpflich verlaufene Situation nicht als Warnung gesehen hat, sondern vielmehr sein grob verkehrswidriges Verhalten fortsetzte und Folgen billigend in Kauf nahm.

Hinweis: Stellt sich das Fehlverhalten des Unfallgegners als äußerst schwerwiegend dar, kann ein Mitverschulden des Unfallopfers vollständig zurücktreten. Genauso ist ein Fall entschieden worden, bei dem der Unfallverursacher sein Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,83 ‰ geführt hat.


Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 15.02.2012 - 5 O 171/11
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 02/2013)

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