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Anscheinsbeweis: Atypisches Unfallgeschehen muss hinreichend dargelegt und bewiesen werden

Verlässt ein Kraftradfahrer in einer Kurve seine Fahrspur und kollidiert mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins für sein alleiniges Verschulden.

Im Bereich einer lang gezogenen Kurve einer Landstraße kam es zu einer Kollision zwischen einem Motorradfahrer und einem ihm entgegenkommenden Pkw. Hierbei verletzte sich der Motorradfahrer, zudem entstand an seinem Motorrad Sachschaden.

Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main geht nach durchgeführter Beweisaufnahme davon aus, dass der Verkehrsunfall allein durch den Motorradfahrer verschuldet wurde. Laut Sachverständigengutachten ist davon auszugehen, dass der Motorradfahrer seine Fahrspur verlassen hatte und auf die Gegenfahrbahn geraten war. Der Zusammenstoß zwischen den beiden Fahrzeugen erfolgte frontal, wobei die Anstoßstelle beim Pkw im vorderen rechten Frontbereich liegt. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises ist somit von einem alleinigen Verschulden des Motorradfahrers auszugehen. Den Anscheinsbeweis kann er nur durch unstreitige oder bewiesene Tatsachen entkräften. Vorliegend konnte der Motorradfahrer nicht beweisen, dass nicht er, sondern der Pkw-Fahrer die Fahrbahn verlassen hatte. Hieran konnte auch der Umstand nichts ändern, dass der Sachverständige unter gewissen Voraussetzungen die Schilderung des Motorradfahrers als technisch nachvollziehbar bezeichnet hat. Denn der Sachverständige hat zugleich ausgeführt, dass anhand objektiver Anknüpfungspunkte ein Überfahren der Mittellinie durch den Pkw nicht nachweisbar ist.

Hinweis: Derjenige, gegen den der Anscheinsbeweis spricht, kann diesen nur erschüttern oder ausräumen, wenn er Umstände darlegt und beweist, die eine ernsthafte Möglichkeit eines anderen atypischen Geschehensablaufs ergeben. Erschüttert bzw. ausgeräumt wäre der Anscheinsbeweis hier gewesen, wenn der Motorradfahrer hätte beweisen können, dass der Pkw-Fahrer gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen hat und seinerseits über die Mittellinie hinaus auf der Gegenfahrbahn gefahren ist. 


Quelle: OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 04.03.2014 - 15 U 144/12 
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2014)

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