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Dash-Cam-Urteil: Informationelle Selbstbestimmung siegt gegen Drang zur Beweismittelsicherung

Die dauernde anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine in einem Pkw installierte Autokamera verletzt Dritte in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und verstößt gegen das Bundesdatenschutzgesetz sowie gegen das Kunsturhebergesetz.

In einem Schadensersatzprozess legte einer der beteiligten Fahrzeugführer dem Gericht einen Videofilm vor, auf dem der Unfallhergang zu sehen war. Der Film wurde mit einer im Fahrzeug fest installierten Autokamera (Dash Cam) aufgenommen.

Nach Auffassung des Amtsgerichts München (AG) ist die Verwertung von Fotoaufnahmen, die durch Verwendung einer im Fahrzeug installierten Autokamera zum Nachweis einer Behauptung zum Unfallhergang gewonnen werden, als Beweismittel unzulässig. Ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz liegt vor, weil die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen an der Wahrung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts überwiegen. Was mit den so gefertigten Aufzeichnungen geschieht und wem diese z.B. über eine Cloud zugänglich gemacht werden, ist jeglicher Kontrolle entzogen. Ein Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz liegt ebenfalls vor, weil Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. Schließlich verstößt die Verwertung der Videoaufzeichnung gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das auch das Recht am eigenen Bild umfasst. Würde man die Verwertung von Videoaufzeichnungen zulassen, würde dies im Ergebnis bedeuten, dass jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass nicht nur in seinem Pkw, sondern etwa auch an seiner Kleidung befestigen kann, jedermann permanent gefilmt und überwacht werden darf und so das Recht auf informationelle Selbstbestimmung praktisch aufgegeben wird.

Hinweis: Nach Information des Marktforschungsunternehmens GFK sind im Zeitraum von Juli 2013 bis Juni 2014 90.000 Autokameras und damit viermal so viel wie in den zwölf Monaten davor verkauft worden. Ob die Entscheidung des AG durch andere Urteile bestätigt wird, bleibt abzuwarten. Es ist zu hoffen, dass zu dieser Frage alsbald obergerichtliche Entscheidungen ergehen, da die Frage der Verwertbarkeit von Videoaufnahmen nicht nur für die Zivilgerichte, sondern auch für Straf- und Bußgeldverfahren von Bedeutung ist.


Quelle: AG München, Beschl. v. 13.08.2014 - 345 C 5551/14 
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 02/2015)

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