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Augenblicksversagen: Keine Herabstufung der Schuld bei groben Pflichtverletzungen

Wenn der Betroffene ein unübersichtliches Verkehrsgeschehen falsch gedeutet oder eine verwirrende Verkehrsregelung falsch verstanden hat, kann ein sogenanntes Augenblicksversagen vorliegen - muss aber nicht.

Eine Autofahrerin befuhr innerorts eine ihr bis dahin unbekannte Straße, von der sie nach links abbog. Im Kreuzungsbereich missachtete sie die für sie geltende Ampel, die bereits länger als eine Sekunde Rotlicht anzeigte. Das zunächst mit der Sache befasste Amtsgericht verurteilte die Betroffene unter Annahme eines Augenblicksversagens zunächst zu einer Geldbuße von 600 EUR.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hob das Urteil jedoch auf und belegte die Fahrzeugführerin mit einer Geldbuße von 200 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot, weil von einem Augenblicksversagen der Fahrerin nicht ausgegangen werden kann. Der Ausdruck Augenblicksversagen beschreibt nur den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Dieser Umstand allein ist allerdings kein ausreichender Grund dafür, den Schuldvorwurf herabzustufen, sobald - wie hier -  objektive Merkmale einer groben Pflichtverletzung gegeben sind.

Nach den getroffenen Feststellungen kam nur in Betracht, dass die Fahrzeugführerin eine verwirrende Verkehrsregelung falsch verstanden hat. Dass die Betroffene die rote Ampel auf der Kreuzungsmitte wahrgenommen, diese jedoch anderen Verkehrsteilnehmern zugeordnet hat, mag zwar richtig sein, heißt aber nicht, als dass sie den Rotlichtverstoß nicht vorsätzlich begangen hat. Dass die Betroffene ortsunkundig war, spielt keine Rolle. Denn diejenigen, die sich nicht auskennen, müssen diesen Umstand stets durch erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht ausgleichen.

Hinweis: Ein Augenblicksversagen liegt nur vor, wenn auf eine besonders schwierige, insbesondere überraschend eingetretene Verkehrslage falsch reagiert oder ein Verkehrszeichen schlicht übersehen wird. Wurde ein Augenblicksversagen festgestellt, wird zwar die begangene Ordnungswidrigkeit nicht eingestellt, von einem zu verhängenden Fahrverbot kann aber abgesehen werden.


Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.03.2014 - IV - 1 RBs 183/13 
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 06/2015)

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