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Ergänzende Tarifverträge: Gewerkschaftsmitglieder dürfen bessergestellt werden

In einem Haustarifvertrag mit sozialplanähnlichem Inhalt können für Leistungen, die zur Abmilderung der wirtschaftlichen und sozialen Nachteile gezahlt werden, tarifgebundene Gewerkschaftsmitglieder bevorzugt werden. Dabei ist auch eine sogenannte Stichtagsregelung möglich.

Eine tarifgebundene Arbeitgeberin plante eine Betriebsschließung. In den Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der zuständigen IG Metall konnte eine vollständige Schließung jedoch abgewendet werden. Die Arbeitgeberin und die IG Metall schlossen im April 2012 einen Standorttarifvertrag sowie einen Transfer- und Sozialtarifvertrag. Der Tarifvertrag sah für den Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2012 und gleichzeitiger Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einer Transfergesellschaft die Zahlungen von Abfindungen bis 110.000 EUR sowie u.a. ein Monatsentgelt von 70 % des bisherigen Bruttomonatseinkommens vor. Zeitgleich wurde neben einem Interessenausgleich auch ein weiterer, ergänzender Tarifvertrag (ETV) abgeschlossen, der nach seinem persönlichen Geltungsbereich nur für diejenigen Gewerkschaftsmitglieder galt, die bis einschließlich 23.03.2012, 12.00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden waren. Durch diesen Tarifvertrag gab es eine weitere Abfindung von 10.000 EUR sowie eine um 10 % höhere Bemessungsgrundlage für das Monatsentgelt der Arbeitnehmer, die in die Transfergesellschaft wechseln sollten.

Das wollte sich eine Arbeitnehmerin nicht gefallen lassen. Sie war allerdings nur in der Zeit von Juli 2012 bis Januar 2013 Mitglied der IG Metall - zum genannten Stichtag also der Gewerkschaft angeschlossen. Trotzdem verlangte sie nun die erhöhten Leistungen aus dem ETV. Das Bundesarbeitsgericht sprach ihr aber diese Zahlungen nicht zu, weil die Anspruchsvoraussetzungen des ETV nicht vorlagen. Auch die Differenzierung von Ansprüchen war rechtmäßig. Gewerkschaftsmitglieder dürfen bessergestellt werden, und innerhalb der Gewerkschaft dürfen ebenfalls Differenzierungen gemacht werden.

Hinweis: Besserstellungen von Gewerkschaftsmitgliedern in Tarifverträgen im Zusammenhang mit Betriebsschließungen oder anderen Massenentlassungen wird es wohl künftig häufiger geben. Es handelt sich um ein Mittel der Gewerkschaften, für Arbeitnehmer wieder attraktiver zu werden.


Quelle: BAG, Urt. v. 15.04.2015 - 4 AZR 796/13
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 06/2015)

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