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Anfahrkollision: Anscheinsbeweis spricht gegen die Partei, die vom Fahrbahnrand anfährt

Derjenige, der vom Fahrbahnrand anfahren will, muss sich dabei so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Erforderlichenfalls muss er sich einweisen lassen.

Eine Autofahrerin befuhr innerorts eine Straße, an deren Ende sich ein Wendehammer befand, von dem aus es im weiteren natürlichen Fahrverlauf zu einem Parkplatz eines Bürokomplexes ging. Auf diesen Parkplatz wollte sie fahren. Kurz vor der Zufahrt stand rechts teils auf der Straße, teils auf dem Bürgersteig ein Taxi, dessen Fahrer einen Fahrgast aufnahm. Als die Pkw-Fahrerin das Taxi fast passiert hatte, fuhr dessen Fahrer an - und es kam zu einem Unfall. Der Taxifahrer behauptete seinerseits, die Pkw-Fahrerin sei gegen sein stehendes Taxi gefahren. Seine Haftpflichtversicherung lehnte daher eine Regulierung des entstandenen Schadens am anderen Pkw ab.

Nach Ansicht des Amtsgerichts Hamburg hat die Geschädigte jedoch einen Anspruch auf eine 100%ige Erstattung der ihr entstandenen Schäden. Gegen den Taxifahrer spricht der Beweis des ersten Anscheins, weil er am Fahrbahnrand zunächst angehalten hat und - ohne sich nach hinten ordnungsgemäß abzusichern - angefahren ist. Zu diesem Ergebnis gelangt das Gericht zum einen aufgrund der Aussage eines unbeteiligten Zeugen, der als Fußgänger den Unfallhergang beobachtet und erklärt hat, das Taxi sei vor dem Unfall angefahren und habe ihn dadurch erst verursacht. Zum anderen kam auch ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger aufgrund des Schadensbilds zu dem Ergebnis, dass das Taxi zum Unfallzeitpunkt nicht gestanden haben kann.

Hinweis: Das Gericht wendet zutreffend die Grundsätze des sogenannten Anscheinsbeweises an. Geschieht ein Unfall beim Anfahren vom Fahrbahnrand in der Form, dass zwischen dem Einfahren in Richtung Fahrbahnmitte und der Kollision mit dem Verkehr ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein alleiniges Verschulden des Anfahrenden.


Quelle: AG Hamburg, Urt. v. 19.02.2016 - 4 C 41/15
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 04/2016)

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