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Kollision nach Grundstücksausfahrt: Auch nach 15 Metern Fahrt besteht noch ein unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Zusammenhang

Wer aus einem Grundstück auf eine Straße einfahren möchte, ist verpflichtet, eine Gefährdung des fließenden Verkehrs auszuschließen.

Eine Autofahrerin bog von ihrem Grundstück auf eine Hauptstraße ab. Nachdem sie etwa zehn bis 15 m gefahren war, kam es zu einer Kollision mit einem Fahrzeug, das zunächst an ihrem Grundstück vorbeigefahren war, dann jedoch angehalten hatte und zurücksetzte.

Nach Auffassung des Landgerichts Flensburg (LG) stehen der Frau, die mit ihrem Pkw das Grundstück verlassen hatte, nur Schadensersatzansprüche von 20 % zu. Sie musste sich eine Mithaftung von 80 % anrechnen lassen. Beim Verlassen ihres Grundstücks hat sie nämlich nicht die höchstmögliche Sorgfalt angewendet und eine Gefährdung des vorfahrtberechtigten, rückwärtsfahrenden Pkw nicht ausgeschlossen. Gegen sie spricht somit der Beweis des ersten Anscheins.

Von einem Anscheinsbeweis ist auszugehen, wenn es in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einfahren auf die Straße zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr kommt. Einen solchen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang sieht das Gericht auch dann, wenn man nach dem Abbiegen schon zehn bis 15 m in Geradeausfahrt gefahren ist. Eine Mithaftung des vorfahrtberechtigten Rückwärtsfahrers hat das Gericht natürlich nicht ausgeschlossen, da er beim Rückwärtsfahren nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hatte, insbesondere nicht mit angepasster Geschwindigkeit gefahren war.

Hinweis: Die Entscheidung des LG entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung. Ähnlich wird entschieden, wenn vom rechten Fahrbahnrand oder vom Parkstreifen in den fließenden Verkehr eingefahren wird. Auch in diesen Fällen gehen die Gerichte selbst dann noch von einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aus, wenn bereits eine Strecke von zehn bis 15 m zurückgelegt wurde.


Quelle: LG Flensburg, Urt. v. 02.11.2017 - 7 S 21/17
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 04/2018)

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