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Risiken und Nebenwirkungen: Die Wahrscheinlichkeitsdefinition von OP-Risiken richtet sich nicht nach der von Beipackzetteln

Ein Aufklärungsgespräch soll Patienten im Vorfeld über Verfahrensweise und Risiken operativer Eingriffe informieren. Ob ein in diesem Zuge überreichter Aufklärungsbogen wie ein Beipackzettel in Medikamentenpackungen zu betrachten ist, musste seinerseits kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) aufklären.

Vor einer anstehenden Knieoperation wurde ein Patient von seinem Arzt über die Risiken der Operation aufgeklärt. Auf dem betreffenden Aufklärungsbogen stand bei den Risiken: "Im Laufe der Zeit gelegentlich Lockerung oder extrem selten Bruch der Prothese; ein Austausch der Prothese ist dann erforderlich." Es kam, wie es kommen musste; der Mann erhielt sein neues Kniegelenk, die Prothese lockerte sich und musste ersetzt werden. Nun meinte der Patient, von seinem Arzt nicht ausreichend aufgeklärt worden zu sein. Dabei berief er sich auf das Medical Dictionary for Regulatory Activities (MedDRA) für Medikamente und dessen Häufigkeitsdefinition des Wortes "gelegentlich". Denn während diese MedDRA-Wortwahl bei Medikamenten eine Wahrscheinlichkeit von unter 1 % suggeriert, betrug die tatsächliche Wahrscheinlichkeit einer Knieprothesenlockerung ganze 8,41 %. Das war zugegebenermaßen zwar nicht dumm, jedoch vergeblich argumentiert.

Denn laut BGH haben sich die Wahrscheinlichkeitsangaben im Rahmen der Aufklärung vor einer ärztlichen Behandlung grundsätzlich nicht an den in Beipackzetteln für Medikamente verwendeten Häufigkeitsdefinitionen des MedDRA zu orientieren. Auch eine Wahrscheinlichkeitsquote von 8,41 % darf in den Augen der Richter durchaus als gelegentlich bezeichnet werden.

Hinweis: Bei einem Aufklärungsgespräch im Vorfeld einer Operation sollten sich die Patienten frei fühlen, alles zu erfragen, was ihnen wichtig erscheint. Sich im Nachhinein an den Regeln für Beipackzettel festzuhalten, um auf deren Basis Schmerzensgeld und Schadensersatz fordern zu können, ist nun höchstrichterlich verneint worden.


Quelle: BGH, Urt. v. 29.01.2019 - VI ZR 117/18
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 05/2019)

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