[Inhalt] Gurt verliert an Wirkung: Eine vorgebeugte Sitzhaltung führt zur 40%igen Mitschuld an den eigenen Verletzungen Dass man auch als verletzter Beifahrer für eine Mitschuld herangezogen werden kann, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts München (OLG). Eine Frau fuhr als Beifahrerin im Auto ihres Ehemanns mit, als es just dann zu einem Unfall kam, als sie sich nach vorn gebeugt hatte, um hinuntergefallene Gegenstände zu suchen. Für die dabei erlittenen Verletzungen forderte sie nun einen entsprechenden Schadensersatz - jedoch nur mit einem Teilerfolg. Nach Auffassung des OLG kann die Klägerin nur 60 % des von ihr erwarteten Schmerzensgeldes verlangen. Das Gericht kommt zu dieser Auffassung nach sachverständiger Beratung. Diese hat ermittelt, dass aufgrund der extrem nach vorn geneigten Sitzposition die Schutzfunktion des Gurts vollständig aufgehoben war und dadurch die Beschleunigung einer doppelten Vollbremsung auf den Kopf-/Nackenbereich einwirkte. Durch die Sitzposition der Verletzten kam es erst zu einem Anstoß des Kopfs gegen das Armaturenbrett; auch der Anstoß mit dem linken Ellenbogen gegen die Mittelkonsole ist auf ihr Sitzverhalten zurückzuführen. Und da dieses erst zum Aussetzen der schützenden Gurtfunktion führte, muss auch der Frau eine Mitschuld zugeschrieben werden. Hinweis: Ein Mitverschulden trifft denjenigen, der sich ohne Not bewusst einer Gefahr aussetzt oder sich der Gefahr zumindest bei gehöriger Sorgfalt bewusst sein müsste. Ein Sicherheitsgurt ist nur dann nach der Rechtsprechung "angelegt", wenn er so verwendet wird, dass er die ihm zugewiesene Schutzfunktion im Schulter- und Beckenbereich erfüllen kann. Wie das Urteil zeigt, sind diese Voraussetzungen in dem Moment nicht mehr gegeben, in dem man sich vorbeugt, um aus dem Fußraum etwas aufzuheben. In den gängigen Fällen wird ein Mitverschulden von 40 % angenommen.
Quelle: OLG München, Urt. v. 12.01.2018 - 10 U 2718/15
(aus: Ausgabe 04/2018)
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