[Inhalt] Anscheinsbeweis gegen Spurwechsler: Nicht jede Kollision mit einem nachfolgenden Fahrzeug ist automatisch ein Auffahrunfall Bei regelmäßig vorkommenden Unfallkonstellationen spricht der sogenannte Anscheinsbeweis für ein aus Erfahrungswerten zumeist standardisiertes Verursacherprinzip. So gehört die Kollision von Fahrzeugen nach einem kurz davor erfolgten Spurwechsel zu jenen Verkehrsunfällen, bei denen dieses Prinzip angewendet wird. Aber auch beim klassischen Auffahrunfall findet der Anscheinsbeweis regelmäßig seine Anwendung. Welche dieser beiden Konstellationen beim folgenden Fall zutreffend war, musste kürzlich das Oberlandesgericht München (OLG) bewerten. Im innerstädtischen Bereich kam es zu einem Verkehrsunfall, nachdem ein Autofahrer mit seinem Pkw von einer Einfädelungsspur nach links in die rechte Geradeausspur eingefahren war. Als es folglich zur Kollision mit einem Lkw kam, behauptete der Mann, dass sein Spurwechsel darauf keinen Einfluss gehabt habe - es handle sich vielmehr um einen typischen Auffahrunfall, denn der Lkw sei schließlich auf seinen Wagen aufgefahren. Doch so leicht ließ sich das OLG nicht täuschen und wies die Klage des Autofahrers ab. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme war der Senat davon überzeugt, dass sich der Unfall nur dadurch ereignet hat, weil der Pkw-Fahrer die Spur gewechselt und er dabei gegen die ihn treffenden Obliegenheiten beim Fahrstreifenwechsel verstoßen hatte. Ein Verschulden des Lastkraftfahrers war nicht ersichtlich, was ein eingeholtes Gutachten bestätigte. Das belegte mit Aufnahmen des Schadenbilds, das sich die Beschädigungen am Auto nicht etwa im hinteren Bereich, sondern an der linken Seite oberhalb des Hinterrads befanden. Daher sah es das Gericht als bewiesen an, dass es keineswegs zu dem behaupteten Auffahrunfall gekommen war. Und so kam es, wie es kommen musste: Bei Kollisionen zweier Fahrzeuge mit einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang eines Fahrstreifenwechsels spricht der Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten. Eine Tatsache, die nach entsprechender Haftungsabwägung regelmäßig zur Alleinhaftung des Spurwechslers führt - so auch in diesem Fall. Hinweis: Grundsätzlich ist es richtig, dass gegen denjenigen, der auf ein Fahrzeug auffährt, der Beweis des alleinigen Verschuldens spricht. Allerdings lag im hier zu entscheidenden Fall aufgrund der Schadensbilder kein Auffahrunfall vor, sondern eine seitliche Streifkollision. Damit ergibt sich nicht der für einen Anscheinsbeweis erforderliche typische Geschehensablauf eines typischen Auffahrens. Quelle: OLG München, Urt. v. 13.07.2018 - 10 U 1856/17
(aus: Ausgabe 10/2018)
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