[Inhalt] Gutachten in Sorgerechtsfällen: Gerichte müssen persönliche Anhörungen von Kindern immer auf deren Notwendigkeit prüfen Soll Eltern die elterliche Sorge über ihre Kinder entzogen werden, sind die Voraussetzungen zu einer solchen Entscheidung hoch. Häufig bedarf es dazu vorab eines Gutachtens. Was aber gilt, wenn die Eltern die Begutachtung verweigern, musste hier das Oberlandesgericht Hamm (OLG) klären. Nach dem Tod der Kindesmutter war der Vater der Alleininhaber der elterlichen Sorge über seine fünf minderjährigen Kinder. Diese sollten nun vom Jugendamt in Obhut genommen und fremduntergebracht werden. Das Jugendamt stellte daher den Antrag, dem Vater die elterliche Sorge zu entziehen. Eine Sachverständige wurde eingeschaltet. Als diese nach der Exploration der Kinder - also einem entscheidungsorientierten Gespräch mit ihnen - ein entsprechendes schriftliches Gutachten erstellt und in der Gerichtsverhandlung mündlich erläutert hatte, lehnte der Vater sie wegen Befangenheit ab. Das Ablehnungsgesuch des Vaters blieb allerdings genau so erfolglos wie die sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung. Wegen des unterdessen eingetretenen Zeitablaufs und weiterer Fragen beauftragte das Gericht die Sachverständige mit einer Ergänzung ihres Gutachtens und einer weiteren Anhörung der Kinder. Da der Vater dem entgegentrat, ersetzte das Gericht die fehlende Zustimmung des Vaters zur weiteren Exploration durch einen Beschluss, gegen den der Vater erfolgreich vorging. Die Begründung des OLG: Wenn sich eine erneute unmittelbare Anhörung der Kinder nicht vermeiden ließe, habe diese zwar zu erfolgen, jedoch erst nach einer vorigen Prüfung. Genau diese war vom Ausgangsgericht nicht ausreichend erfolgt. Es könne gut sein, dass die Sachverständige die weiteren Fragen auch ohne eine erneute Anhörung der Kinder hätte beantworten können. Deshalb sei dem Anliegen des Vaters - auch wenn der eigentlich die Sachverständige entbunden wissen wollte - zu entsprechen. Hinweis: Das Gericht kann also durchaus gegen den Willen von Eltern die Begutachtung ihrer Kinder bestimmen. Es muss aber immer prüfen, ob dazu die unmittelbare Kontaktaufnahme durch die begutachtende Person vonnöten ist. Das ist auch richtig so, denn solche Begutachtungen bedeuten in aller Regel eine große Belastung für die Kinder. Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 04.09.2020 - 2 UF 154/20
(aus: Ausgabe 02/2021)
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