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Verkehrssicherungspflicht: Unvermittelt auftauchende Stufen auf dunklen Wegen führen im Schadensfall zur Haftung

Ein zur Verkehrssicherung Verpflichteter verletzt diese Pflicht, wenn er einen Weg zugänglich macht, ohne diesen ausreichend zu beleuchten oder auf eine dort unerwarteterweise befindliche Stufe hinzuweisen.

Die zum Zeitpunkt des Vorfalls 70 Jahre alte Geschädigte verließ im Jahr 2011 gegen 18:30 Uhr eine Heiligabendmesse. Dabei verließ sie die Kirche gemeinsam mit anderen Gottesdienstbesuchern durch einen Seitenausgang, der nur zu besonderen Anlässen geöffnet wurde. Dieser Seitenausgang führte auf einen Hof und von dort durch eine Eisenpforte, hinter der sich eine aufsteigende Stufe mit einer Höhe von rund 15-18 cm befand. Die Geschädigte stolperte über diese Stufe und verletzte sich schwer an der linken Schulter.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht sah eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für gegeben, da der Fußgängerverkehr ausnahmsweise durch den Kirchhof eröffnet wurde, ohne den Weg ausreichend zu beleuchten oder auf die Stufe hinzuweisen. Besonders gefährlich an der vorliegenden Konstellation war in diesem Fall, dass die betreffende Stufe völlig unvermittelt auf dem Weg auftauchte - also nicht am Beginn einer Treppe lag, die man hätte erkennen können. Ein Mitverschulden der Geschädigten war daher nicht anzunehmen. Von den Besuchern der Messe, die den Ausgang bestimmungsgemäß benutzten, war nicht zu verlangen, sich tastend in "Trippelschritten" vorwärts zu bewegen. Weil der Weg für eine größere Gruppe von Menschen geöffnet wurde, durften sie darauf vertrauen, dass keine unvermittelten Hindernisse auftreten. Sie mussten mit Kopfsteinpflaster und ähnlichen Hindernissen auf dem Weg in der historischen Umgebung rechnen, nicht dagegen mit unvermittelt auftretenden Stufen.

Hinweis: Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginnt dort, wo für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist. Ein Mitverschulden kommt nur in Betracht, wenn ein sorgfältiger Mensch Anhaltspunkte für die Verkehrssicherungspflichtverletzung rechtzeitig hätte erkennen können und die Möglichkeit besessen hätte, sich auf die Gefahr einzustellen.


Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 30.06.2016 - 11 U 111/15
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2016)

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