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Frau war noch "Ehemann": Formale Gründe dürfen dem Rentenerhalt nach einer Geschlechtsumwandlung nicht entgegenstehen

Durch die Anerkennung eines Geschlechterwechsels sind bei weitem noch nicht alle Probleme der Betroffenen gelöst. Im Gegenteil. Wie sehr sich Gerichte mit den Folgen befassen müssen, zeigt der folgende Fall aus Großbritannien, der vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landete.

In Großbritannien liegt das Rentenalter für vor dem 06.04.1950 geborene Frauen bei 60 Jahren, das für vor dem 06.12.1953 geborene Männer bei 65 Jahren. Ein als Mann geborener Engländer heiratete 1974 und begann dann im Jahr 1991, als Frau zu leben. Im Jahr 1995 unterzog sich der Mann schließlich einer Geschlechtsumwandlung - und korrekterweise wechseln auch wir hier das Pronomen. Die Frau verfügt nun über keine vollständige Bescheinigung über die Geschlechtsumwandlung, die nach der nationalen Regelung nur nach Ungültigerklärung ihrer Ehe ausgestellt worden wäre. Die Eheleute wollten jedoch aus religiösen Gründen noch verheiratet bleiben. Im Jahr 2008 wurde die Frau dann 60 Jahre alt und stellte daher einen Antrag auf Erhalt der staatlichen Ruhestandsrente. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass sie mangels einer vollständigen Bescheinigung über die Anerkennung ihrer Geschlechtsumwandlung in Bezug auf das Rentenalter nicht als Frau behandelt werden könne. Doch laut EuGH war das europarechtswidrig.

Eine Person, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat, darf nicht gezwungen sein, ihre zuvor geschlossene Ehe für ungültig erklären zu lassen, wenn sie eine Ruhestandsrente ab dem für Angehörige des erworbenen Geschlechts geltenden Alter in Anspruch nehmen möchte. Eine solche Voraussetzung stellt eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar.

Hinweis: Es stellt also eine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar, wenn jemand, der eine Geschlechtsumwandlung hat durchführen lassen, aus bestimmten formalen Gründen dann die (hier frühzeitige) Rente des neuen Geschlechts nicht erhält. Ein spannender Fall. Es ist aber auch so, dass dieses Urteil sicherlich nur für Großbritannien gilt und sich dort die Gesetzeslage mittlerweile geändert hat.


Quelle: EuGH, Urt. v. 26.06.2018 - C-451/16
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 09/2018)

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