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Renitente Kontaktverweigerung: Die Optimierung der Rahmenbedingungen muss vor der Einstufung als "unbetreubar" stehen

Ein Erwachsener, der wegen einer psychischen Krankheit seine Angelegenheiten nicht mehr besorgen kann, erhält einen Betreuer. Der Wirkungskreis des Betreuers wird im Einzelfall bestimmt. Was passiert, wenn der Betroffene extrem "querschießt", musste der Bundesgerichtshof (BGH) im Folgenden klären.

Ein 52-Jähriger mit einer bipolaren affektiven Störung mit psychotischer Symptomatik hatte über viele Jahre unterschiedliche Betreuer (Verwandte oder Berufsbetreuer) mit unterschiedlichen Wirkungskreisen. Schließlich verweigerte sich der Mann gegenüber dem Berufsbetreuer. Verwandte dagegen wollte er als Betreuer - diese waren dazu jedoch leider ungeeignet, weil sie sich ihm gegenüber nicht genügend abgrenzen konnten. Daher stellte sich nun zum einen die Frage, ob überhaupt Handlungsbedarf für eine Betreuung bestehe, und zum anderen, ob nicht sogar eine Unbetreubarkeit gegeben sei.

Die generelle Frage nach dem Handlungsbedarf für eine Betreuung war im zur Entscheidung vorliegenden Fall klar zu beantworten: Der Betroffene war überschuldet, aber krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich um seine Finanzen zu kümmern, wie etwa durch die Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Er hatte sogar die zuständige Stelle gebeten, die Zahlung der Erwerbsminderungsrente mit der Begründung einzustellen, er sei voll erwerbsfähig, obwohl es an dieser Voraussetzung bei ihm krankheitsbedingt offensichtlich fehlte. Schwierigkeiten ergaben sich eher bei der Beantwortung der Frage, ob der Betroffene unbetreubar und deshalb keine Betreuung anzuordnen bzw. fortzuführen sei.

Dazu hat der BGH erklärt, dass es schon sein könne, dass Unbetreubarkeit vorliege - gerade, wenn der Betroffene den Kontakt zu einem Betreuer komplett verweigere. Es sei aber die Aufgabe des Gerichts, diesbezüglich in jeglicher Hinsicht zu versuchen, geeignete Rahmenbedingen zu schaffen. Dies bedeutet konkret, es mit jedem in Betracht kommenden Betreuer zu versuchen. Da dies nicht versucht worden war, verwies der BGH den Fall an das zuständige Landgericht zurück.

Hinweis: Eine "Unbetreubarkeit" ist demnach denkbar, aber allenfalls nur im absoluten Ausnahmefall. Denn eine solche Unbetreubarkeit befreit einen unter Umständen malträtierten Betreuer aus der Belastung und Verantwortung, lässt den Betroffenen aber gleichsam nahezu schutzlos zurück.


Quelle: BGH, Beschl. v. 23.01.2019 - XII ZB 397/18
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 06/2019)

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