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Falsche Loyalität: Wunsch der Kinder zur Abänderung der elterlichen Sorge muss sorgfältig überprüft werden

In allen Kindschaftssachen ist das Maß der Dinge das Wohl des Kindes. Diesen Rechtsbegriff im Alltag richtig anzuwenden, fällt immer wieder schwer. Denn wie der folgende Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) beweist, haben die Beteiligten oft ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, was dem Wohl des Kindes dient.

Nach der Scheidung der Ehe lebten die drei minderjährigen Kinder bei der Mutter. Ihr wurde auch deren Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen. In der weiteren Folge beantragte dann der Vater die Abänderung dieser Entscheidung. Er wollte nicht nur, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf ihn übertragen wird, sondern verlangte vor allem die Etablierung des Wechselmodells. Für seinen Antrag sprach, dass die gemeinsamen Kinder den Wunsch äußerten, den Wohnsitz zu ihm zu wechseln. Nach Anhörung des Jugendamts und Einholung eines Sachverständigengutachtens hatte der Vater mit seinem Antrag dennoch keinen Erfolg. Auch der BGH entschied gegen ihn.

Zunächst einmal stellt der BGH in seiner Entscheidung unter anderem darauf ab, dass der Grundsatz der Kontinuität besondere Bedeutung im Zusammenhang mit Fällen wie dem vorliegenden hat. So gesehen und unter Beachtung der sonst relevanten allgemeinen Kriterien gab es keinen Grund, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater wechseln zu lassen, da die Kinder bei der Mutter lebten und dort gut versorgt wurden.

Und was war mit ihrem Wunsch, in den Haushalt des Vaters zu wechseln? Dieser Wunsch war nicht autonom von den Kindern gebildet, wie das Jugendamt und der Sachverständige herausgearbeitet hatten. Der Vater, ein "Übervater", hatte ihnen immer und immer wieder suggeriert, dass er die Kinder bei sich haben wolle und dass bei ihm alles viel besser sei. So hatten sich die Kinder beeinflussen lassen und ihre Entscheidung auch aus einer falsch verstandenen Loyalität dem Vater gegenüber getroffen. In solchen Fällen aber sei der Kinderwille nicht das Maß der Dinge - die Kinder blieben deshalb bei der Mutter.

Hinweis: Kindschaftssachen sind wie hier oft sehr komplex und nehmen in der Praxis zu. Dass der Wille eines Kindes dahingehend überprüft werden muss, ob er auch wirklich eigenmotiviert ist, macht den Ausgang eines Verfahrens umso schwieriger zu prognostizieren.


Quelle: BGH, Beschl. v. 27.11.2019 - XII ZB 511/18
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 03/2020)

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