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Erbrecht unehelicher Kinder: Nur ohne gerechten Ausgleich zwischen den Betroffenen ist die Stichtagsregelung unverhältnismäßig

Die erbrechtliche Gleichstellung unehelicher Kinder mit ehelichen hat ihren langen Weg immer noch nicht abgeschlossen. Nachdem die deutsche Rechtsprechung durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Aktualisierung aufgerufen wurde, geht es vermehrt um ihre Umsetzung, so auch im folgenden Fall, mit dem das Oberlandesgericht Köln (OLG) befasst wurde.

Ein Mann hatte für seine 1943 unehelich geborene Tochter die Vaterschaft anerkannt. Nach seinem Tod im Jahr 1990 verlangte die Tochter von den ehelichen Kindern ihren Pflichtteil - was vor Gericht jedoch abgelehnt wurde. Nach deutschem Recht waren uneheliche Kinder seinerzeit von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und bekamen daher auch keinen Pflichtteil, sofern sie vor dem 01.07.1949 geboren waren. Aufgrund eines Vergleichs wurde der Tochter damals jedoch ein Anteil gezahlt. Durch die 2009 erfolgte Rechtsprechung des EGMR erließ der deutsche Gesetzgeber schließlich ein neues Gesetz, das nichteheliche Kinder für Erbfälle nach 2009 gleichstellt. Daraufhin machte die Frau 2017 erneut ihren Pflichtteil geltend. Das Gericht wies sie jedoch ab.

Als der deutsche Gesetzgeber sein neues Gesetz erließ, machte er mit der unverhältnismäßigen Stichtagsregelung zwar durchaus einen Fehler, der auch 2017 bereits durch den EGMR als unter Umständen rechtsverletzend bewertet wurde. Das OLG führte jedoch aus, dass diese Stichtagsregelung die Rechte nichtehelicher Kinder nur dann verletzt, wenn unter den besonderen Umständen des Falls kein gerechter Ausgleich zwischen den Betroffenen hergestellt wird. In diesem Fall waren aber bereits über acht Jahre seit dem EGMR-Urteil vergangen. Die Erben durften durch einen gerichtlichen Vergleich zudem ihr besonderes Vertrauen auf den Fortbestand ihres Erbrechts setzen. Somit war die Anwendung der Stichtagsregelung in diesem Fall nicht als unverhältnismäßig anzusehen.

Hinweis: Der EGMR hatte einige Kriterien aufgestellt, woran zu bemessen ist, ob die Stichtagsregelung unverhältnismäßig ist. Dies sind unter anderem die Kenntnis der Betroffenen, der Status der erbrechtlichen Ansprüche (Verjährung) und die bis zur Geltendmachung des Anspruchs verstrichene Zeit, aber auch der Umstand, ob durch das nationale Recht eine finanzielle Entschädigung für den Verlust des Erbrechts gewährt wird. Die weitere Umsetzung dieser Rechtsprechung bleibt abzuwarten.


Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 10.12.2018 - 2 Wx 405/18
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2019)

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