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Gesetzliche Betreuung: Medikamentöse Zwangsbehandlung eines Untergebrachten nur ausnahmsweise zulässig

Ist jemand psychisch und physisch beeinträchtigt, kann ein Betreuer bestellt werden. Dieser muss den von ihm Betreuten unter Umständen in dessen eigenem Interesse in die geschlossene Abteilung einer Klinik einweisen lassen. Fraglich ist, ob der Betreuer auch das Recht hat zu bestimmen, ob der von ihm Betreute dort zwangsweise medikamentös behandelt wird.

Jemanden gegen seinen Willen in einer Klinik unterzubringen, ist ein gravierender, aber oftmals notwendiger Eingriff in seine Rechte. Das Gesetz regelt, unter welchen strengen Voraussetzungen ein Dritter - das heißt in aller Regel ein gesetzlicher, vom Gericht bestellter Betreuer - eine solche freiheitsberaubende Unterbringung durchführen darf.

Soll der Untergebrachte gegen seinen Willen zudem medikamentös behandelt werden, beschränkt das seine Rechte weitgehender. Denn dies ist eine Maßnahme, die in die körperliche Integrität eingreift. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat 2011 entschieden, dass derartige, die körperliche Integrität betreffende Maßnahmen nur ganz ausnahmsweise zulässig sind. Soweit das Bürgerliche Gesetzbuch regelt, unter welchen Umständen zwangsweise die medikamentöse Behandlung gegen den Willen des Betroffenen angeordnet werden kann, sei das Gesetz zu ungenau und die enthaltenen Vorgaben zu unpräzise. Deshalb hat das BVerfG den regelnden Paragraphen für verfassungswidrig erklärt. Die Vorschrift, die die zwangsweise Verabreichung von Medikamenten regelt, darf nicht mehr angewandt werden. Dem hat der Bundesgerichtshof entsprochen und einer Betreuerin untersagt, den von ihr Betreuten zwangsweise medikamentös behandeln zu lassen.

Hinweis: Der aktuelle Zustand ist misslich und muss durch eine gesetzliche Neuregelung geändert werden. Derzeit kann aber niemand, der gegen seinen Willen untergebracht ist, auch gegen seinen Willen medikamentös versorgt werden.


Quelle: BGH, Beschl. v. 20.06.2012 - XII ZB 99/12
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 10/2012)

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