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Gefährdungsfrage: Kein Fahrverbot bei atypischem Rotlichtverstoß

Sind Umstände ersichtlich, die gegen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer sprechen, kann ausnahmsweise von dem eigentlich vorgesehenen Fahrverbot abgesehen werden.

Eine Autofahrerin bog innerorts von einer Hauptstraße nach rechts in eine Nebenstraße ab, in der sich eine Ampel mit Haltelinie befindet. Sie hielt vor der Haltelinie an, ließ Fußgänger passieren und überfuhr die Linie dann bei (schon länger als eine Sekunde) andauerndem Rotlicht. Deshalb wurde gegen sie eine Geldbuße von 200 EUR und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Das Kammergericht (KG) erkannte jedoch keine gravierende Verletzung der Pflichten der Fahrerin und sah deshalb von der Verhängung eines Fahrverbots ab. Sind nämlich Umstände ersichtlich, die gegen eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer sprechen, bedarf es einer näheren Prüfung, ob ein Regelfahrverbot angemessen ist. In diesem Fall, in dem die Fahrerin vor der Haltelinie angehalten und anschließend trotz andauerndem Rotlicht ihre Fahrt fortgesetzt hatte, ist davon auszugehen, dass sie mit geringer (Anfahr-)Geschwindigkeit in den geschützten Bereich eingefahren ist. Somit wäre ihr bei einer Gefahrensituation ein sofortiges Reagieren möglich gewesen. Im Übrigen belegt auch der Umstand, dass das Rechtsabbiegen grundsätzlich durch ein grünes Pfeilschild trotz Rotlichts nach Anhalten erlaubt werden kann, dass ein solches Verhalten meist wesentlich weniger gefahrenträchtig ist als andere Rotlichtverstöße.

Hinweis: Die Entscheidung des KG entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung. Grundsätzlich wird bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß - also einem Rotlichtverstoß, bei dem die Lichtzeichenanlage bereits länger als eine Sekunde Rotlicht angezeigt hat - ein Fahrverbot verhängt. Hiervon kann abgesehen werden, wenn nachgewiesen ist, dass es nicht zu einer konkreten Gefährdung Dritter gekommen ist.


Quelle: KG, Beschl. v. 03.02.2014 - 3 Ws (B) 15/14 - 122 Ss 4/14
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 09/2014)

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