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Bestehende Bindung zur Mutter: Ohne exklusives Eltern-Kind-Verhältnis ist Adoption durch reiche Erbtante nicht möglich

Wer sich ohne stabile elterliche Wurzeln haltlos fühlt, kann sich auch als Erwachsener adoptieren lassen. Aber einfach ist ein solches Unterfangen bei weitem nicht. Das beweist das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG), bei dem ein Volljähriger mit einer Erbschaft großzügig bedacht werden sollte.

Eine vermögende ältere Patentante wollte ihren volljährigen Neffen adoptieren. Zu ihren zwei erwachsenen Kinder hatte sie nach einem Streit seit vielen Jahren keinen Kontakt. Mit ihrem verstorbenen Mann hatte sie ein gemeinsames Testament gemacht, in dem der Neffe als Schlusserbe eingesetzt worden ist. Die leiblichen Kinder waren somit also enterbt. Die Adoption hätte dem Neffen im Erbfall finanzielle Vorteile verschafft, denn es gab ca. 750.000 EUR zu vererben, so dass der höhere Erbschaftsteuerfreibetrag relevant wurde. Die Adoption hätte auch dazu geführt, dass jedes der leiblichen Kinder der Tante einen um etwa 62.500 EUR geringeren Pflichtteil bekäme. Wie zu erwarten war, widersprachen die leiblichen Kinder der Adoption - und kamen damit auch durch.

Gesetzliche Voraussetzung der Adoption ist ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen der Patentante und ihrem Neffen - und das wird unter dem Gesichtspunkt der "sittlichen Rechtfertigung" geprüft. Für solch ein Eltern-Kind-Verhältnis ist der Altersabstand einer Generation erforderlich, außerdem ein soziales Familienband und die Bereitschaft zu gegenseitigem und uneigennützigen Beistand. Hierbei sahen die Gerichte das Problem, dass die Mutter des Neffen ja noch lebte und er zu ihr eine gute Beziehung hatte. Wer zu seinen leiblichen Eltern ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis habe, habe zu anderen Verwandten eine andersartige Beziehung, die keine Lücke füllen müsse. Eine besondere Prägung des Neffen in der Kindheit durch die Tante sei zudem nicht erkennbar. Seine regelmäßigen Besuche im Haus gälten sowohl seiner Mutter wie seiner Tante, denn die beiden alten Damen wohnten in demselben Haus. Aufgrund der Summe aller Zweifel des OLG spielten die finanziellen Motive eine Rolle. Dass die Tante ihren Neffen gern stärker an sich binden wollte, weil ihre Kinder sich nicht um sie kümmerten, genügte nicht als Motiv im Rechtssinne.

Hinweis: Die Beziehung zur Mutter wäre dann kein Ausschlussgrund gewesen, wenn nicht die Tante, sondern ein neuer Ehemann oder eine neue Ehefrau der Mutter die Adoption gewollt hätte.


Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.05.2022 - 18 UF 60/21
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 07/2022)

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