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Wartepflichtiger muss warten: Keine Mithaftung des Vorfahrtberechtigten, wenn dieser trotz Blinkens geradeaus weiterfährt

Kommt es zwischen einem vorfahrtsberechtigten und einem wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer zu einer Kollision, spricht der sogenannte Anscheinsbeweis für ein Alleinverschulden des Wartepflichtigen. Dieser Anscheinsbeweis kann nur erschüttert werden, wenn der Wartepflichtige nachweisen kann, dass der Vorfahrtberechtigte nicht nur geblinkt hat, sondern zudem weitere Anhaltspunkte gegeben waren, die auf ein Abbiegen hätten schließen lassen, das letztendlich ausblieb und somit zum Unfall führte. Erst dann kann in der Folge eine eventuelle Mithaftung des Vorfahrtberechtigten möglich sein.

Ein Pkw-Fahrer befuhr innerorts eine Hauptstraße. Er wollte an einer Bushaltestelle anhalten, die sich hinter einer Einmündung befand. Aus eben jener Einmündung kam eine Verkehrsteilnehmerin, die gegenüber dem Verkehr auf der Hauptstraße wartepflichtig war. Im Einmündungsbereich kam es mit dem aus ihrer Sicht von links kommenden Fahrzeug zu einer Kollision. Offen blieb dabei, ob der Vorfahrtberechtigte den rechten Fahrtrichtungsanzeiger - sprich Blinker - überhaupt eingeschaltet hatte. Doch selbst das half der Frau nicht.

Das Amtsgericht Frankenthal/Pfalz hat die Schadensersatzansprüche der wartepflichtigen Pkw-Fahrerin verneint. Diese war wartepflichtig, so dass der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung spricht. Selbst wenn der Vorfahrtberechtigte vor der Einmündung rechts geblinkt haben sollte, hätte er hierdurch nicht sein Vorfahrtsrecht verloren. Denn nach der Rechtsprechung kann das Setzen eines Blinkers das Vorfahrtsrecht generell nicht aufheben. Es begründet vielmehr allenfalls ein Vertrauen des Wartepflichtigen, das im Rahmen der konkreten Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile zu berücksichtigen ist. Vorliegend durfte die Wartepflichtige allerdings nicht darauf vertrauen, dass der Vorfahrtberechtigte abbiegt, weil es dafür an weiteren konkreten Anhaltspunkten - wie etwa einer eindeutigen Herabsetzung der Geschwindigkeit - fehlte.

Hinweis: Der gegen den Wartepflichtigen sprechende Anscheinsbeweis kann in der Regel nur erschüttert werden, wenn nachgewiesen wird, dass der Vorfahrtberechtigte nicht nur geblinkt hat, sondern deutliche Anzeichen dafür vorgelegen haben, dass er nach rechts abbiegen wollte, so zum Beispiel - wie das Gericht hervorhebt - durch deutliche Herabsetzung der Geschwindigkeit.


Quelle: AG Frankenthal/Pfalz, Urt. v. 24.11.2016 - 3a C 308/16
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2017)

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