[Inhalt]
[Vorheriger Text][Nächster Text]

Unfallregulierung: Prognoserisiko eines Sachverständigengutachtens trägt Schädiger

Liegen die voraussichtlichen Reparaturkosten bei 100 bis 130 % des Wiederbeschaffungswerts und entscheidet sich der Geschädigte für eine Reparatur, kann es nicht zu seinen Lasten gehen, wenn er aufgrund einer Nachkalkulation des Sachverständigen mit Reparaturkosten von deutlich mehr als 130 % auf eine Ersatzbeschaffung wechselt.

Der Halter eines Fahrzeugs wurde unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt. Der von ihm beauftragte Sachverständige ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 10.050 EUR und legte den Wiederbeschaffungswert mit 8.950 EUR fest. Die Reparaturkosten lagen also über dem Wiederbeschaffungswert, aber unter 130 % dieses Werts. Der Halter entschied sich deshalb für eine Reparatur seines Fahrzeugs. Während der Reparatur stellten die Mitarbeiter der Werkstatt jedoch fest, dass der Schaden - wie ursprünglich vom Sachverständigen anberaumt - nicht zu beheben war. Nach dem Ergebnis einer Nachbesichtigung durch den Sachverständigen beliefen sich die Reparaturkosten nun auf einen Betrag, der über der 130-%-Grenze lag. Der Geschädigte entschied sich daher gegen eine Reparatur und bestellte ein typengleiches Neufahrzeug, das drei Wochen später ausgeliefert wurde. Nun gab er auch den nach dem Unfall angemieteten Mietwagen zurück. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers lehnte die Übernahme der Mietwagenkosten für den gesamten Mietzeitraum jedoch mit der Begründung ab, dass der Eintritt eines wirtschaftlichen Totalschadens dem Geschädigten von Anfang an bekannt gewesen sei.

Das dann mit der Sache befasste Landgericht Köln (LG) hat dem Geschädigten Recht gegeben. Es vertritt die Auffassung, dass von einem offensichtlichen Totalschaden nicht ausgegangen werden konnte, da eine Reparatur durchaus in Betracht kam. Dass die Reparaturkosten nachträglich dann jedoch höher eingeschätzt wurden, könne nicht zu Lasten des Geschädigten gehen. Denn dieses sogenannte Prognoserisiko trägt der Schädiger. Die Mietwagenkosten sind deshalb für einen Zeitraum von zwei Wochen zu erstatten; das Gericht folgt insofern den Angaben zur Wiederbeschaffungsdauer im Gutachten. Dass die Wiederbeschaffung des Fahrzeugs letztendlich drei Wochen gedauert hat, könne dagegen nicht zu Lasten des Schädigers gehen.

Hinweis: In der Rechtsprechung ist äußerst umstritten, ob die vom LG vorgenommene Argumentation mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Einklang steht. Eine Entscheidung des BGH bleibt also abzuwarten.


Quelle: LG Köln, Urt. v. 30.04.2013 - 11 S 290/12
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2013)

[Vorheriger Text][Nächster Text]
[Inhalt]

 

[Startseite] [Archiv]