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Regulierungsermessen des Versicherers: Ausgebliebener Eigenschaden spricht nicht gegen den Verursachungsbeitrag

Der Kfz-Haftpflichtversicherer ist grundsätzlich berechtigt, im Rahmen seines weiten Regulierungsermessens gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachte Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall zu regulieren oder auch abzuwehren.

Beim Einparken soll ein Pkw-Fahrer ein anderes Fahrzeug beschädigt haben. An seinem eigenen Fahrzeug konnte danach jedoch kein Schaden festgestellt werden. Dennoch regulierte seine Kfz-Haftpflichtversicherung den geltend gemachten Schaden und stufte den Versicherungsnehmer in der Schadenfreiheitsklasse hoch - seiner Meinung nach jedoch völlig zu Unrecht. Und daher klagte er.

Nach Auffassung des Amtsgerichts Stendal erfolgte die Regulierung des Schadens jedoch zutreffend. Die Kfz-Haftpflichtversicherung hatte zur Plausibilität des Schadens einen Sachverständigen befragt sowie eine Zeugin angehört, die den Unfallhergang beobachtet hatte. Dass an dem Fahrzeug des Versicherungsnehmers selbst kein Schaden feststellbar war, was der Kläger als Beweis für sein Nichtverschulden des gegnerischen Schadens ansah, stand der Regulierung nicht entgegen. Es kommt nach Ansicht des Gerichts vor, dass bei einem Zusammenstoß zweier Fahrzeuge bei geringer Geschwindigkeit - wie es beim Einparken in der Regel der Fall ist - nur an einem der Fahrzeuge sichtbare Schäden entstehen. Es lässt sich kein Erfahrungssatz in der Beweislehre formulieren, dass ein Kraftfahrzeug, das ein anderes beschädigt, grundsätzlich selbst auch einen Schaden aufweisen muss. Das Fehlen von Unfallspuren am eigenen Fahrzeug reicht nicht, um einen Verursachungsbeitrag auszuschließen, wenn weitere Umstände hinzutreten - wie die Tatsache, dass es eine Zeugin für den Unfall gab.

Hinweis: Ein Haftpflichtversicherer verletzt seine Pflichten gegenüber seinem Versicherungsnehmer nur dann, wenn er offensichtlich unbegründete Ansprüche reguliert, die leicht nachweisbar unbegründet sind und ohne weiteres abzuwehren wären, oder wenn er den Anspruchsteller ohne Prüfung der Sachlage "auf gut Glück" befriedigt. Erst wenn der Versicherer eine völlig unsachgemäße Schadensregulierung vornimmt, verletzt er die gegenüber seinem eigenen Versicherungsnehmer bestehende Pflicht auf Interessenwahrnehmung aus dem Versicherungsvertrag.


Quelle: AG Stendal, Urt. v. 28.10.2015 - 3 C 743/15
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 04/2016)

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