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Martin Klein
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Belehrungsgebot missachtet: Entziehung der Fahrerlaubnis ist bei mangelnder Belehrung des Beschuldigten unzulässig

Hobbykriminologen raufen sich beim altbewährten Sonntagskrimi oft die Haare, wenn Abläufe ignoriert werden, die für hand- und vor allem gerichtsfeste Ermittlungsergebnisse unverzichtbar sind. Wenn Erkenntnisse auf einem nicht zulässigen Weg ermittelt worden sind, gibt es sie auch nicht - egal wie offensichtlich sie auch scheinen. Dass eine ordnungsgemäße Abfolge vorgeschriebener Vorgehensweisen nicht nur im Strafrecht, sondern in allen Rechtsgebieten die Grundlage für eine gesetzeskonforme Rechtsverfolgung ist, zeigt der folgende Fall des Landgerichts Fürth (LG), das hier einen Verkehrsverstoß zu verhandeln hatte.

Eine Autofahrerin touchierte angeblich ein anderes Fahrzeug - und fuhr davon. Dabei wurde sie jdeoch von einem Zeugen beobachtet, der sich prompt das Kennzeichen notierte und Anzeige bei der Polizei erstattete. Dabei gab er an, eine ältere Dame im Alter von etwa 50 bis 70 Jahren am Steuer gesehen zu haben. Die Polizei ermittelte daraufhin die Halterin und suchte sie auf. Im Rahmen einer sogenannten "informatorischen Befragung" gab die 80-jährige Halterin die Fahrereigenschaft auch durchaus zu. Erst dann wurde die Frau belehrt und über ihr Zeugnisverweigerungsrecht aufgeklärt, von dem sie dann auch Gebrauch machte. Es kam, wie es kommen musste: Es ergingen ein Strafbefehl sowie ein Beschluss zur Entziehung der Fahrerlaubnis. Gegen beides legte die Betroffene Einspruch ein - und dies mit Erfolg.

Im Einspruchsverfahren gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gab das LG der Betroffenen nämlich Recht. Nach Ansicht des Gerichts ist die Fahrerin schlicht und ergreifend nicht ermittelt worden. Denn ihre Aussage durfte im informatorischen Gespräch nicht verwertet werden, da sie anschließend die Aussage verweigert hatte. Die Polizei sei verpflichtet gewesen, die Halterin des Fahrzeugs bereits von Beginn an zu belehren. Dies resultiert daraus, dass aufgrund der Zeugenaussage keine Ermittlungen in einem nicht näher eingegrenzten Umfeld notwendig waren, sondern der Personenkreis bereits sehr eingeschränkt war. Die Halterin entsprach auch nach dem ersten Eindruck der Fahrerbeschreibung des Zeugen. Eine informatorische Befragung dürfe nicht dazu dienen, die Belehrung möglichst spät zu erteilen, um von der Befragten vorher Erkenntnisse zu erlangen. Weitere Beweismittel zur Fahrerermittlung seien nicht genutzt worden. Die Entziehung ist daher mangels Tatverdachts nicht rechtmäßig gewesen.

Hinweis: Durch die Belehrung gegenüber dem Beschuldigten soll eindeutig klargestellt werden, dass es ihm freisteht, keine Angaben zu machen. Dieses Belehrungsgebot will sicherstellen, dass der Beschuldigte vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht bewahrt wird, zu der er sich möglicherweise durch die Konfrontation mit dem amtlichen Auskunftsverlangen veranlasst sieht. Dieser Schutzzweck wird im vorliegenden Fall nur dann gewahrt, wenn der Halter des Kraftfahrzeugs vor seiner Befragung entsprechend belehrt wird.


Quelle: LG Fürth, Beschl. v. 28.06.2022 - 5 Qs 40/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 11/2022)

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