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Rechtsweg: Bundesverwaltungsgericht belässt Klagen gegen schulische Schutzmaßnahmen bei Familiengerichten

Das im April von einem Familienrichter in Weimar gefällte - mittlerweile reviderte - Urteil ging bundesweit durch die Medien: Schüler sollten weder Masken tragen noch Abstände einhalten oder an Schnelltests teilnehmen. Zudem sollte weiterhin Präsenzunterricht stattfinden. Der Aufschrei war daraufhin auch auf juristischer Seite groß, denn es bestanden große Zweifel darüber, ob das Amts- bzw. Familiengericht überhaupt zuständig gewesen sei und ob in solchen Fragen nicht künftig auf die Verwaltungsgerichte (VG) verwiesen werden müsse. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat dazu nun verbindlich Stellung genommen.

Die Frage der Zuständigkeit schlug hohe Wellen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bezeichnete den Beschluss des Familienrichters einschließlich seiner Ergebnisse als "ausbrechenden Rechtsakt". Das VG in Weimar führte in einem Eilbeschluss aus, dass der Weimarer Beschluss "offensichtlich rechtswidrig" war. Weitere Richter wiesen ähnlich geartete Anträge als unzulässig (keine Zuständigkeit für die Überprüfung von infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen) oder als unbegründet ab (keine konkrete Kindeswohlgefährdung). Andere Gerichte verwiesen direkt an die VG.

Das BVerwG entschied nun, dass eine Verweisung zum VG nicht bindend sei. Für die Entscheidung über eine an ein Amtsgericht gerichtete Anregung, die auf gerichtliche Anordnungen gegen eine Schule wegen Coronaschutzmaßnahmen zielt, seien die Amts- bzw. Familiengerichte zuständig. Die Verweisung an ein VG wegen eines groben Verfahrensverstoßes sei als Ausnahme nicht bindend - sie würde ansonsten zu Brüchen mit den Prozessgrundsätzen der Verwaltungsgerichtsordnung führen. Diese Verwaltungsgerichtsordnung kennt nämlich keine von Amts wegen einzuleitenden Verfahren. Sie überlässt es vielmehr dem Kläger bzw. dem Antragsteller, ob und mit welcher Zielrichtung er ein Verfahren einleiten will. Wäre dem nicht so, fänden sich Kinder sonst in der Rolle von Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens wieder. Das entspräche weder ihrem Willen noch ihrer vormaligen Stellung vor dem Amtsgericht. Deshalb erweist sich die Verweisung mit den geltenden Prinzipien als unvereinbar und löst für das VG keine Bindungswirkung aus.

Hinweis: Es bleibt also dabei, dass die Familiengerichte gemäß § 1666 BGB auf eine Kindeswohlgefährdung prüfen müssen, wenn ein solcher Antrag gegen Coronaschutzmaßnahmen eingereicht wird.


Quelle: BVerwG, Urt. v. 16.06.2021 - 6 AV 1.21
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 08/2021)

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