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Hildegard Giesers-Berkowsky
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Die minderjährige Braut: Keine Aufhebung der Eheschließung einer 16-Jährigen, wenn ihr Wille zur Ehefortsetzung erkennbar ist

Unsere Welt wird nicht nur durch die Digitalisierung immer kleiner, auch das internationale Recht gewinnt hierzulande immer größere Bedeutung. Im folgenden komplexen Fall zeigt das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) auf, wie dezidiert unterschiedliche Länderrechte bei Familienfragen zu untersuchen und wie penibel deren Eigenheiten zu berücksichtigen sind.

Im Libanon heirateten 1984 zwei Libanesen moslemischen Glaubens. Die Frau lebte in der Folge in Deutschland, wo sie 2002 schließlich die deutsche Staatsangehörigkeit erhielt. Nachdem der Mann auch nach Deutschland zog, bekamen die Eheleute vier Kinder. Dann trennten sie sich und wurden nach islamischem Recht geschieden. So weit, so gut. Doch dann kam die zuständige Verwaltungsbehörde ins Spiel, denn das Besondere dieser Ehe war, dass die Frau bei der Eheschließung 1984 erst 16 Jahre alt war. Der behördliche Antrag verlangte daher die Aufhebung der Ehe, da das deutsche Recht die Volljährigkeit beider Eheleute für eine wirksame Eheschließung voraussetzt.

Der BGH ging hier auf beide Fragestellungen ein - sowohl zum einen auf die Rechtmäßigkeit der Eheschließung nach libanesischem Recht als auch zum anderen auf den Willen der deutschen Verwaltungsbehörde.

Zuerst zur Eheschließung und ihrer Gültigkeit: Da beide Ehegatten bei Eheschließung im Libanon die libanesische Staatsangehörigkeit hatten, richtet sich die Frage, ob überhaupt wirksam eine Ehe geschlossen wurde, nach libanesischem Recht. Und nach dortigem Recht war das junge Alter der Frau kein Hindernis für eine wirksame Eheschließung.

Für die Frage, ob diese Ehe aufzuheben ist, ist demgegenüber deutsches Recht anzuwenden, nachdem die Ehegatten unterdessen hier leben. In jedem Fall wäre die Ehe aufzuheben gewesen, wenn die Frau bei Eheschließung noch keine 16 Jahre alt gewesen wäre. Nach Vollendung des 16. und vor Vollendung des 18. Lebensjahres ist zu prüfen, ob die ehedem Minderjährige nach Eintritt der Volljährigkeit zu erkennen gegeben hatte, die Ehe fortsetzen zu wollen. Alternativ ist zu überprüfen, ob die Aufhebung für sie eine unbillige Härte bedeuten würde. Vier gemeinsame Kinder bekommen zu haben, war dem BGH jedoch schon ausreichend für den eindeutigen Willen zur Fortsetzung der Ehe. Deshalb lehnte der BGH die Aufhebung ab.

Hinweis: Internationales Recht spielt auch im Familienrecht eine immer größere Rolle. Sich behördlichen Entscheidungen gegenüber nicht wehrlos zu ergeben und diese stattdessen rechtlich überprüfen zu lassen, kann sich - wie hier zu sehen - lohnen.


Quelle: BGH, Beschl. v. 22.07.2020 - XII ZB 131/20
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 11/2020)

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