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Vollkasko haftet voll: Sommerbereifung im Winter stellt nicht zwingend eine grobe Fahrlässigkeit dar

Eine Kürzung der Leistungen aus der Vollkaskoversicherung ist nur möglich, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Der Fahrer eines Pkw kam im Januar gegen fünf Uhr morgens mit seinem Pkw von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Da sein Fahrzeug nur mit Sommerreifen ausgestattet war, übernahm seine Vollkaskoversicherung auch nur 50 % der entstandenen Reparaturkosten mit der Behauptung, das Fahren mit Sommerbereifung zur Winterzeit sei als grob fahrlässig anzusehen.

Das Amtsgericht Papenburg hat die Versicherung zur Zahlung der restlichen Reparaturkosten verurteilt. Eine Kürzung ihrer Leistungspflicht aus dem Kaskovertrag wäre nur dann möglich gewesen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall in der Tat grob fahrlässig herbeigeführt hätte.

Im vorliegenden Fall hat der Versicherungsnehmer jedoch nicht grob fahrlässig gehandelt, obwohl er noch mit Sommerreifen fuhr. Denn in Deutschland besteht keine generelle Winterreifenpflicht. Weiterhin berücksichtigte das Gericht, dass zum Unfallzeitpunkt am Unfallort die Temperatur bei 1,8 °C und die relative Luftfeuchtigkeit bei 87 % lagen, wobei weder Schnee noch Regen gefallen waren. Bei diesen Wetterverhältnissen war es zwar geboten, mit Winterreifen zu fahren - es fehlte trotzdem an einem erheblich gesteigerten Verschulden des Pkw-Fahrers. Ihm musste sich bei den Gegebenheiten nicht aufdrängen, dass das Fahren mit Sommerreifen besonders gefahrenträchtig war. So habe auch der Beifahrer erklärt, dass es auf der Fahrt bis zum Unfall keinerlei Probleme gegeben habe, insbesondere habe er kein Glatteis bemerkt, die Fahrbahn sei auch nicht rutschig gewesen.

Hinweis: Der Kaskoversicherer ist berechtigt, bei grober Fahrlässigkeit seine nach dem Versicherungsvertrag bestehende Leistungspflicht prozentual zu kürzen. Bei vorsätzlichem Handeln ist er sogar von der Zahlungspflicht gänzlich befreit. Grobe Fahrlässigkeit liegt immer dann vor, wenn schon einfachste - völlig naheliegende - Überlegungen nicht angestellt werden und nicht beachtet wird, was im konkreten Fall jedem Verkehrsteilnehmer hätte einleuchten müssen.


Quelle: AG Papenburg, Urt. v. 10.03.2016 - 20 C 322/15
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 01/2017)

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