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1,1 ‰-Grenze bei E-Scootern: Keine Unterscheidung nach Gefährlichkeit zwischen unterschiedlichen Typen von Kraftfahrzeugen

Für viele schien die Entscheidung, E-Scooter auf die Straßen loszulassen, mit der heißen Nadel gestrickt zu sein. Dass die Gerichte sich mit der detaillierten Ausgestaltung des rechtlichen Miteinanders zu beschäftigen haben, ist eine naturgegebene Folge. Nicht von der Hand zu weisen ist die Wichtigkeit einer geltenden Promillegrenze, die das Landgericht Osnabrück (LG) im folgenden Fall für E-Scooter-Fahrer zu bewerten hatte.

Ein junger Mann war im Juli 2020 gegen zwei Uhr morgens von Polizeibeamten gestoppt worden, als er mit einem E-Scooter unterwegs war. Von ihm wurde eine Blutprobe entnommen, die eine Blutalkoholkonzentration von 1,54 ‰ ergab. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft entzog das Amtsgericht Osnabrück (AG) dem Beschuldigten deshalb vorläufig die Fahrerlaubnis. Der Betroffene legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Er vertrat dabei die Auffassung, bei E-Scootern sei nicht die vom Bundesgerichtshof (BGH) für den motorisierten Verkehr definierte Grenze von 1,1 ‰ maßgeblich. Sie gelte nur für stärker motorisierte Kraftfahrzeuge wie Pkws. Vielmehr sei bei E-Scootern der vom BGH für Radfahrer definierte Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,6 ‰ maßgeblich.

Das LG folgte dieser Argumentation jedoch nicht und bestätigte mit seiner Entscheidung vielmehr die Sichtweise des AG. Auch bei Fahrern von E-Scootern ist auf die für den motorisierten Verkehr geltenden strafrechtlichen Promillegrenzen abzustellen. Aus den rechtlichen Sonderbestimmungen für elektrische Kleinfahrzeuge folgt, dass diese Kraftfahrzeuge darstellten - und gerade nicht Fahrrädern gleichgestellt seien. Damit müssten auch die strafrechtlich maßgeblichen Promillegrenzen für die Nutzung von Kraftfahrzeugen bei E-Scootern uneingeschränkt Anwendung finden. Eine Unterscheidung nach Gefährlichkeit zwischen unterschiedlichen Typen von Kraftfahrzeugen mit Blick auf die strafrechtlichen Promillegrenzen gibt es nicht. Zu Recht sei das AG deshalb hier bei einer Blutalkoholkonzentration von deutlich mehr als 1,1 ‰ von einer absoluten Fahruntüchtigkeit ausgegangen.

Hinweis: Im konkreten Fall muss der E-Scooter-Fahrer neben der Entziehung der Fahrerlaubnis mit einer Anklage wegen Trunkenheit im Straßenverkehr rechnen. Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Beschluss vom 24.07.2020 - 205 StRR 216/20).


Quelle: LG Osnabrück, Beschl. v. 16.10.2020 - 10 Qs 54/20
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2020)

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