[Inhalt] Billigkeitsprüfung bei Versorgungsanrechten: Wer sein Anrecht aus privater Altersversorgung verschweigt, bekommt vom anderen auch nichts Bei einer Ehescheidung werden alle Altersversorgungen mit dem jeweiligen Ehezeitanteil hälftig geteilt. Um zu wissen, welche Versorgungsträger wegen eines solchen Auskunftsersuchens angeschrieben werden müssen, füllen die Scheidungswilligen für das Gericht ein Formular (V10) aus, in dem sie jeweils ihre Versorgungsträger angeben. Der folgende Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) zeigt auf, welche betrügerischen Möglichkeiten des "Vergessens" von Angaben es gibt, um sich entsprechende Vorteile zu verschaffen. Eine Frau trieb es besonders arg: Erst verschwieg sie ein Anrecht im Formular, dann löste sie einen Vertrag aus einer privaten Altersversorgung auf (was nur deshalb möglich war, weil der Versorgungsträger keine Post vom Familiengericht erhalten hatte) und gab die etwa 15.000 EUR aus. Schließlich beschwerte sie sich auch noch darüber, dass sie von der Betriebsrente des Manns noch nichts bekommen habe, weil der Mann noch nicht lange genug bei diesem Arbeitgeber gearbeitet hatte. Sie würde im Rentenalter hiervon nochmal einen "schuldrechtlichen" Ausgleich zugesprochen bekommen, weil man dann erst errechnen kann, wie hoch der Ehezeitanteil war. In dem OLG-Verfahren fiel dann aber die Sache mit dem verschwiegenen und aufgelösten Anrecht auf - das OLG traf eine sogenannte Billigkeitsentscheidung nach § 27 Versorgungsausgleichsgesetz. Eine grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls dem Grundgedanken der gesetzlichen Halbteilung in unerträglicher Weise widerspricht. Weil die Frau ihren Altersvorsorgevertrag verschwiegen und aufgelöst hatte, wurde ihr im Gegenzug die Teilhabe an der Betriebsrente des Manns im Alter endgültig verwehrt. Hinweis: Diese Rechtsprechung ist nicht ohne weiteres auf den Fall übertragbar, in dem jemand nach Trennung, aber vor dem Scheidungsverfahren ein privates Altersvorsorgevermögen auflöst und ausgibt. Kann er nachweisen, dass er das Geld für neue Möbel, Anwaltskosten oder ähnlichen trennungsbedingten Mehrbedarf benötigte, bekommt der andere Ehegatte keinen Ausgleich und keine "Billigkeitsentscheidung".
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 30.06.2023 - 9 UF 166/22
(aus: Ausgabe 09/2023)
|