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Versicherer in Beweispflicht: Rücktritt von Berufsunfähigkeitsversicherung im Teleunderwriting gescheitert

Wer nicht fragt, bekommt auch keine Antworten. So einfach könnte der Kern des folgenden Falls vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) zusammengefasst werden. Doch bevor dieses zu seinem Urteil kam, musste es sich mit der Frage beschäftigen, unter welchen Bedingungen ein Versicherer nach einem telefonischen Antrag vom Vertrag zurücktreten bzw. diesen anfechten kann, und unter welchen er zur Zahlung verpflichtet ist.

Beim sogenannten Teleunderwriting einer telefonischen Risikoprüfung handelt es sich um einen vertraulichen und effizienten Service, der es Lebensversicherungsgesellschaften ermöglicht, die persönlichen Gesundheitsfragen in einem Antrag telefonisch mit einem ausgebildeten medizinischen Risikoprüfer zu beantworten. So war es auch in diesem Fall. Ein in Mexiko geborener Mann, der in Deutschland lebte, beantragte 2012 telefonisch eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Er selbst sprach Spanisch, sein Lebensgefährte übersetzte seinerzeit ins Englische. Der Versicherungsmitarbeiter füllte den Antrag aus und kreuzte bei allen Gesundheitsfragen "nein" an, obwohl der Mann zuvor wegen Rückenproblemen, Depressionen und später auch wegen einer Daumengelenksarthrose ärztlich behandelt worden war. Kurz nach dem Telefonat lag der vorausgefüllte Antrag im Briefkasten, der Mann unterschrieb. Als er fünf Jahre später Berufsunfähigkeit anmeldete, lehnte die Versicherung die Zahlung jedoch ab und erklärte den Rücktritt vom Vertrag wegen angeblich falscher Angaben. Der Mann erklärte, er habe nichts verschwiegen und sei davon ausgegangen, dass nur aktuelle schwere Erkrankungen gemeint seien.

Das Landgericht stellte fest, dass die Versicherung weiterhin Bestand habe, und verurteilte den Versicherer zur Zahlung der Leistungen. Das OLG bestätigte diese Entscheidung und begründete dies damit, dass die Versicherung nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten oder diesen anfechten konnte. Für einen Rücktritt müssen die Fragen während des Telefonats korrekt und verständlich vorgelesen werden, damit der Antragsteller sie sicher zur Kenntnis nimmt. Dies konnte die Versicherung in diesem Fall nicht nachweisen. Und auch eine Täuschungsanfechtung scheiterte, weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Mann absichtlich falsche Angaben gemacht hatte. Es reichte nicht aus, seine Angaben einfach zu bestreiten; die Versicherung musste einen eindeutigen Beweis vorlegen, was sie nicht konnte.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 06.06.2025 - 7 U 20/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 10/2025)

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