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Vorsorgliches Ausweichmanöver: Auch ohne Wildberührung besteht Leistungspflicht des Versicherers wegen Wildunfalls

Um eine Kollision mit Wildtieren zu vermeiden, kam es zu einem Ausweichmanöver und infolge dessen zum Sturz. Da dieser aber nicht auf einer Wildberührung beruhte und somit folglich auch kein Wildunfall war, wollte sich im folgenden Fall der Teilkaskoversicherer schulterzuckend aus der Affäre ziehen. Doch das Oberlandesgericht Saarbrücken (OLG) nahm sich der Sache an und klärte die notwendige Frage, ob das erfolgte Ausweichmanöver Schlimmeres habe verhindern können.

Ein Motorradfahrer war mit seinem Sohn als Sozius auf einer Landstraße unterwegs. Beim Einfahren in eine Rechtskurve entdeckte er direkt am rechten Fahrbahnrand eine Herde Rehe. Da er den Eindruck hatte, diese würden gleich die Straße queren und mit ihm kollidieren, wich er nach links aus. Dabei kam er von der Straße ab und stürzte. Er meldete den Schaden seiner Teilkaskoversicherung, doch diese verweigerte die Zahlung; schließlich läge kein versicherter Wildschaden vor - eine Wildberührung habe ja nicht stattgefunden.

Doch, sagte das OLG und gab dem Motorradfahrer Recht. Zwar sei es generell richtig, dass eine Leistungspflicht wegen Wildunfalls eine Wildberührung voraussetze. Im Ausnahmefall müsse aber auch gezahlt werden, wenn durch ein erfolgtes angemessenes Ausweichen ein höherer Schaden habe verhindert werden sollen. Wenn man als Motorradfahrer direkt am Fahrbahnrand eine Herde Rehe wahrnimmt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese sich in Bewegung setzt und auf die Straße läuft. Ein vorsorgliches Ausweichmanöver ist daher nicht unangemessen.

Hinweis: Gemäß § 83 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) hat der Versicherer Aufwendungen des Versicherungsnehmers nach § 82 Abs. 1 und 2 VVG, die dieser zur Schadensabwendung oder -minderung tätigt, auch wenn sie erfolglos geblieben sind, insoweit zu erstatten, als der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für geboten halten durfte. Ersatzfähig sind die Folgen von Fahrmanövern, die der Fahrer nach den Umständen - insbesondere zur Vermeidung des Versicherungsfalls "Zusammenstoß mit Tieren" - für erforderlich halten durfte. Hätte der Motorradfahrer eine Vollkaskoversicherung für sein Motorrad abgeschlossen gehabt, hätte die Versicherung in jedem Fall zahlen müssen. Probleme wie im vorliegenden Fall treten nur dann auf, wenn "nur" eine Teilkaskoversicherung besteht.


Quelle: OLG Saarbrücken, Urt. v. 23.11.2022 - 5 U 120/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2023)

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