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Benachteiligung der Sozialhilfeträger: Sogenannte Behindertentestamente sind auch bei größerem Erbe nicht sittenwidrig

Bei behinderten Familienmitgliedern als potentiellen gesetzlichen Erben stellt sich immer wieder die Frage, wie die Testamente ausgestaltet werden müssen, damit das Erbe nicht vollständig für die Pflege der behinderten Person aufgebraucht wird und so auch noch anderen Erben zugutekommen kann.

Eine Frau hatte zusammen mit ihrem Ehemann ein sogenanntes Behindertentestament verfasst. Nach ihrem Tod erbten danach hauptsächlich der Ehemann und die gemeinsamen Kinder - wobei der gemeinsame Sohn, der am Down-Syndrom litt, nur einen geringen Bruchteil erhielt. Er wurde als nicht befreiter Vorerbe eingesetzt und für ihn wurde eine Testamentsvollstreckung angeordnet. Der Sozialversicherungsträger, der für die Unterbringung des Sohns aufkam, hielt das Testament für sittenwidrig, da es sich um ein beträchtliches Vermögen handelte, durch das die Kosten für die Unterbringung des behinderten Sohns abgedeckt wären.

Das Gericht hielt das Testament jedoch für wirksam. Es zweifelte zunächst an, ob es sich bei einem Nachlasswert von noch unter 1 Mio. EUR um ein "beträchtliches" Vermögen handelt. Zudem wies es darauf hin, dass unabhängig von der Größe des Vermögens Behindertentestamente gerade so ausgestaltet seien, dass es zu einer Benachteiligung der Sozialhilfeträger komme, was aber vom Gesetzgeber so gewollt sei. Das Testament wurde somit als nicht sittenwidrig angesehen und der behinderte Sohn damit als (Vor-)Erbe und nicht als Pflichtteilsberechtigter.

Hinweis: Die Kosten für die Pflege von Menschen mit Behinderungen sind in der Regel so hoch, dass Sozialleistungen in Anspruch genommen werden müssen. Hat die behinderte Person ein eigenes Vermögen - also auch ererbtes Vermögen -, muss dieses für die entstehenden Kosten eingesetzt werden. Daher werden Behindertentestamente üblicherweise so ausgestaltet, dass der Erbe mit Behinderung nur als Vorerbe im Zusammenhang mit einer Testamentsvollstreckung eingesetzt wird. Als Vorerbe darf diese Person das geerbte Vermögen nicht verbrauchen, sondern muss es für den Nacherben bewahren. Ihr stehen also nur die Erträge zu (z.B. Zinsen). Nach dessen Tod geht das Vermögen dann an die entsprechenden Nacherben - wie etwa die Geschwister. Diese Art der Vertragsgestaltung wurde von der Rechtsprechung grundsätzlich als zulässig erachtet.


Quelle: LG Essen, Urt. v. 03.12.2015 - 2 O 321/14
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2016)

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