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Mittellose Hauserbin: Eine Pflichtteilsstundung ist nur möglich, wenn die Abzahlung des Gesamtbetrags absehbar ist

Bei der Auszahlung von Pflichtteilen kommt es immer wieder zu Konflikten, wenn das Erbe im Wesentlichen aus einem Grundstück besteht, das für die Auszahlung dann verkauft werden muss. Dass auf eine durchaus mögliche Stundung des Pflichtteilsanspruchs jedoch nicht immer bestanden werden kann, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgerichts Rostock (OLG).

Ein Mann hatte seine Enkelin als Alleinerbin eingesetzt und ihr im Wesentlichen ein Haus hinterlassen. In diesem wohnte die Enkelin mit ihren fünf Kindern und dem arbeitslosen Ehemann. Die Tochter des Verstorbenen verlangte jedoch von der Erbin ihren Pflichtteil. Diese lehnte jedoch ab, da sie über keine ausreichenden Mittel verfüge und das Haus zudem renoviert werden müsse. Sie beantragte daher eine Stundung des Pflichtteilsanspruchs.

Das OLG sah hier jedoch keine Grundlage für eine Stundung. Es wies darauf hin, dass der Erbe die Stundung des Pflichtteils verlangen kann, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre - insbesondere, wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind dabei jedoch angemessen zu berücksichtigen. Eine Stundung kommt dann nicht in Betracht, wenn absehbar ist, dass der Erbe auch durch Stundung nicht in die Lage versetzt wird, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen.

In diesem Fall sah das Gericht nicht, dass die Familie, die von Eltern- und Arbeitslosengeld lebte, in absehbarer Zukunft über ausreichend Mittel verfügen würde, um den Pflichtteil auszubezahlen. Hinzu kam, dass die pflichtteilsberechtigte Tochter bereits um die 60 Jahre alt war und ihr daher nicht zuzumuten sei, jahrelang auf den Pflichtteil zu warten. Schließlich hatte die Enkelin sogar ein ernsthaftes Kaufangebot für das Haus ausgeschlagen, das sie in die Lage versetzt hätte, den Pflichtteil auszubezahlen. Nach Ansicht des OLG war hier das Interesse der Tochter an dem Pflichtteil dem Interesse der Enkelin am Erhalt des Hauses überzuordnen.

Hinweis: In diesem Zusammenhang stellte das Gericht auch klar, dass Voraussetzung für eine Stundung nicht ist, dass das Familienheim schon zum Zeitpunkt des Erbfalls die Lebensgrundlage bildet, so wie es hier der Fall war. Die Familie lebte in einem anderen Haus und zog erst geraume Zeit nach dem Erbfall in das geerbte Haus. Im Rahmen der Interessenabwägung war aber zu berücksichtigen, dass die Enkelin, obwohl ihr der Pflichtteilsanspruch bekannt war, in das Haus umzog und sogar einen Kredit aufnahm, um es zu renovieren, statt den Pflichtteilsanspruch zu bezahlen.


Quelle: OLG Rostock, Urt. v. 20.06.2019 - 3 U 32/17
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 08/2019)

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