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Anschnallpflicht: Befreiung von der geltenden Gurtpflicht nur in absoluten Ausnahmefällen

Ein Kraftfahrzeugführer oder Mitfahrer hat nur dann einen Anspruch auf Befreiung von der Anschnallpflicht, wenn ihm die Benutzung aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar ist. Dies gilt zum Beispiel, wenn die Nutzung für ihn mit konkreten, ernsthaften Gesundheitsrisiken verbunden ist, denen auf anderem Weg nicht vorgebeugt werden kann und die als solche ärztlicherseits bestätigt werden können.

Ein Mann beantragte, ihn als Beifahrer von der Anschnallpflicht zu befreien, da er durch einen schweren Schlaganfall eine linksseitige Lähmung davongetragen hat und damit die Funktion seines linken Arms aufgehoben sowie das Anschnallen für ihn als Beifahrer dadurch unmöglich ist.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg darf eine Ausnahme von der Gurtanlegepflicht nicht erteilt werden. Der Antragsteller hat keine ärztliche Bescheinigung darüber vorgelegt, dass er aufgrund des ärztlichen Befunds von der Anlegepflicht befreit werden muss. Im Übrigen machte er auch nicht geltend, dass die Position oder der Druck des Gurts zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Wenn er vorträgt, er sei wegen seiner linksseitigen Lähmung nicht in der Lage, sich als Beifahrer selbst anzuschnallen, ist entgegenzuhalten, dass er als Beifahrer schließlich vom jeweiligen Fahrer angeschnallt werden kann. Alternativ könne er bei viertürigen Fahrzeugen auf dem hinteren linken Sitz Platz nehmen und sich dort ohne Hilfe Dritter mit der rechten Hand selbst anschnallen.

Hinweis: In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass auch gewichtige subjektive Beeinträchtigungen des Betroffenen bei der Abwägung des Risikos, das er bei Nichtanlegung des Sicherheitsgurts für sich und für andere Verkehrsteilnehmer eingeht, zumutbar sind. Physische oder psychische Beeinträchtigungen, die infolge des Gurtanlegens auftreten, rechtfertigen es angesichts des weit überwiegenden Nutzens und des bestehenden erheblichen Risikos bei Nichtnutzung in der Regel nicht, den Insassen eines Kfz von der Gurtpflicht zu befreien.


Quelle: OVG Lüneburg, Beschl. v. 26.02.2015 - 12 LA 137/14 
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 06/2015)

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