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Schwiegersohn angezeigt: Gegen den familiären Vorwurf einer Kindesmisshandlung besteht kein Unterlassungsanspruch

Unser Zeitgeist ist in sehr starkem Maß durch moderne Kommunikationtechnik geprägt. Die sozialen Medien ermöglichen unserem Mitteilungsdrang zudem ungeahnte Möglichkeiten, zur Geltung zu kommen. Wo die Grenzen des Erlaubten verlaufen, stellt sowohl Menschen als auch Gerichte immer wieder vor schwierige Entscheidungen - so auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) im folgenden Fall.

Ein Ehepaar stritt sich derart heftig, dass sich der gemeinsame Sohn weigerte, das Zimmer zu verlassen. Daraufhin packte der Vater ihn am Hals und schubste ihn raus. Die Mutter filmte den weinenden Jungen, der sich an den Hals fasste, und schickte das Video ihrer Mutter zur Aufbewahrung. Diese verfasste daraufhin ein Protokoll mit dem Titel "Protokoll über Misshandlungen", in dem sie etliche Verhaltensweisen ihres Schwiegersohns zusammenstellte. Dann schickte sie das Protokoll zusammen mit dem Video per WhatsApp an ihre Schwester - mit der Bitte, es wiederum an deren gemeinsame Mutter weiterzuleiten. Zudem erstattete sie Strafanzeige wegen Kindesmisshandlung und legte das Video sowie das Protokoll sowohl der Kriminalpolizei als auch dem Jugendamt vor. Daraufhin verklagte der Mann seine Schwiegermutter und machte geltend, er habe einen Anspruch darauf, dass sie solches Verhalten unterlasse. Doch damit scheiterte er vor dem OLG.

Der engste Familienkreis ist laut Rechtsauffassung etwas Besonderes, in der es eine "beleidigungsfreie Sphäre" gebe. Im Umgang mit den engsten Familienangehörigen müsse man sich frei aussprechen können, ohne zu befürchten, gerichtlichen Maßnahmen ausgesetzt zu werden. Bei Äußerungen, die bei Außenstehenden oder in der Öffentlichkeit wegen ehrverletzenden Gehalts eigentlich nicht schutzwürdig wären, muss ein solcher Ehrschutz im familiären Umfeld zurückstehen - sie genießen in solchen privaten Vertraulichkeitsbeziehungen verfassungsrechtlichen Schutz. Wenn Behörden in diesem Zusammenhang eingeschaltet werden, sei dies nicht zu beanstanden. Dies sei allein schon deshalb zulässig, weil anders gerichtlicher Rechtsschutz nicht möglich sei. Gegen den Vorwurf einer Kindesmisshandlung besteht hier daher kein Unterlassungsanspruch.

Hinweis: Erhalten Behörden ein "Protokoll über Misshandlungen", ist dies nicht vorwerfbar. Behörden haben die darin enthaltenen Vorwürfe sachlich und emotionslos zu prüfen; sie sind geschult darin, emotional geprägte Mitteilungen zuzuordnen. Dass - wenn auch nur im engsten Familienkreis - "ungeschminkt" und "ungefiltert" alles gesagt und verbreitet werden darf, was einem "auf der Seele brennt", kann aus der Entscheidung nicht gefolgert werden. Wie so oft, ist es auch hier ratsam, die Grenzen nicht zu sehr auszutesten.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.01.2019 - 16 W 54/18
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 04/2019)

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