[Inhalt] Bei schwerwiegenden Verdachtsfällen: Ergebnisse von nicht anonymisierter Mitarbeiterbefragung können Kündigung nach sich ziehen Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) befasste sich mit der Frage, ob sich eine Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen auf Ergebnisse einer nicht anonymisierten Mitarbeiterbefragung stützen darf. Was sich auf den ersten Blick etwas bedrohlich liest, löst sich auf, wenn man den Sachverhalt genauer ins Auge fasst, bei dem auch das Machtgefüge in Betrieben eine Rolle spielt. Ein langjähriger Schichtführer stand im Verdacht, Betriebsmaterial für private Zwecke genutzt und Kollegen während der Arbeitszeit zu privaten Arbeiten gedrängt zu haben. Nach Darstellung des Unternehmens nutzte er seine Stellung aus, um andere unter Druck zu setzen - beispielsweise um private Dinge aus Firmeneigentum für ihn anzufertigen. Um den Vorwürfen nachzugehen, verteilte der Arbeitgeber einen ausführlichen Fragebogen mit rund 150 Fragen an alle Beschäftigten. Abgefragt wurden Beobachtungen zu Arbeitsabläufen, möglichen Pflichtverstößen und dem Verhalten des Schichtführers. Die Antworten waren nicht anonymisiert. Zwar wurde der Betriebsrat über die Maßnahme informiert, seine ausdrückliche Zustimmung lag jedoch nicht vor. Der Schichtführer empfand die Befragung schließlich als Angriff auf seine Person und erklärte, sein Ruf sei beschädigt und er fühle sich in seiner Würde verletzt. Er hielt die Maßnahme für überzogen, unverhältnismäßig und rechtlich unzulässig. Außerdem kritisierte er, dass der Betriebsrat nicht beteiligt worden sei. Das LAG sah dies anders und kam zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung durchaus wirksam war. Mehrere Beschäftigte hatten bestätigt, dass der Schichtführer sie zu privaten Arbeiten gedrängt hatte und dafür Betriebsmaterial nutzte. Durch die Kombination aus Pflichtverletzungen und Vorgesetztenrolle war das Vertrauen in ihn dauerhaft zerstört. Damit lag ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch vor. Besonders wichtig war die Einschätzung des Gerichts zur Befragung: Diese sei rechtlich zulässig gewesen - auch wenn die Antworten nicht anonymisiert erfolgten. Entscheidend sei gewesen, dass sie einem konkreten Verdacht nachging und verhältnismäßig war. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz sei eine solche Maßnahme im Rahmen der Aufklärung erlaubt. Auch seien die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht verletzt worden, so dass die Befragung ohne dessen Zustimmung zulässig war. Hinweis: Arbeitgeber dürfen bei schwerwiegenden Verdachtsfällen auch Befragungen im Betrieb durchführen. Wichtig ist, dass die Maßnahme verhältnismäßig bleibt und sich auf einen konkreten Vorwurf bezieht. So kann eine Kündigung rechtlich wirksam abgesichert werden. Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 15.01.2025 - 2 SLa 31/24
(aus: Ausgabe 10/2025)
|