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Martin Klein
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Trotz Zweit- und Drittwagen: Berechtigter Nutzungsausfall für verunfallten Bentley

Auf den ersten Blick mutet der Ausgang dieses Falls vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) unverschämt an. Denn wer neben seinem verunfallten Luxuswagen noch über einen weiteren und zudem über ein Mittelklassefahrzeug verfügt, sollte die Versicherung doch nicht unnötig schröpfen dürfen, oder? Genau deshalb lohnt sich auch immer ein zweiter, etwas nüchterner Blick auf den Sachverhalt. Lesen Sie selbst.

Bei einem Verkehrsunfall wurde der Bentley des Klägers beschädigt. Neben dem Bentley besaß der Kläger noch einen straßentauglichen McLaren sowie einen heruntergekommenen 3er BMW. Dennoch verlangte der Mann von der eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung Nutzungsausfall für den Zeitraum vom 13.01. bis 31.03. Er trug vor, dass der McLaren keine Winterreifen habe. Zudem hätte der BMW erst repariert und mit Winterreifen ausgestattet werden müssen, um nutzbar zu sein. Pro Tag verlangte der Geschädigte daher einen Nutzungsausfall von 175 EUR.

Und in der Tat sprach das OLG dem Geschädigten Nutzungsausfall für 77 Tage zu. Es wies darauf hin, dass der Bentley nach dem Unfall nicht mehr verkehrssicher war. Der Geschädigte hatte auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, nur weil er über einen Zweitwagen verfüge. Notwendig ist in erster Linie, dass es sich dabei um einen fahrtüchtigen Wagen handelt und die Benutzung dieses Fahrzeugs dem Geschädigten zuzumuten ist. Dies war weder beim BMW noch beim McLaren der Fall. Beim McLaren handelt es sich in erster Hinsicht um einen Sportwagen mit erheblichen Laderaumbeschränkungen, der zudem nicht mit Winterreifen, sondern mit sogenannten Semi-Slik-Reifen ausgestattet war. Dieses Fahrzeug ist für Alltagsfahrten in den Wintermonaten schlichtweg nicht geeignet. Auch beim BMW konnte der Senat nicht feststellen, dass das Fahrzeug fahrbereit gewesen sei, da die Kupplung an der Verschleißgrenze war. Zudem verfügte auch dieses Fahrzeug nicht über Winterreifen. Der Kläger war auch nicht verpflichtet, den BMW während des Ausfalls des Bentleys zu reparieren - auch aus dem Grund, weil für den Kläger zu keinem Zeitpunkt vorauszusehen war, wie lange die Reparatur dauern würde.

Hinweis: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein Anspruch auf Entschädigung für den Fortfall der Nutzungsmöglichkeit von Kraftfahrzeugen. Die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs stellt grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann.


Quelle: Hanseatisches OLG, Urt. v. 28.10.2022 - 14 U 168/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 02/2023)

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