Aktuelle Rechtsinformationen[Inhalt] Testamentsvollstreckung: Zustimmungserklärung eines Erben kann sittenwidrig sein Ein Testamentsvollstrecker ist berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist. Der Erbe ist seinerseits verpflichtet, dazu seine Einwilligung zu erteilen. Zwar ist der Testamentsvollstrecker ein neutraler Nachlassverwalter und kein Interessenvertreter der Erben - dennoch obliegen ihm Prüfpflichten, um die Verwaltung des Nachlasses ordnungsgemäß gewährleisten zu können. Ob dies im Folgenden korrekt abgelaufen ist, musste das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) klären. Ein Testamentsvollstrecker verkaufte im Jahr 2020 ein zum Nachlass gehörendes Hausgrundstück zu einem Preis von 90.000 EUR durch notariellen Kaufvertrag. Die Erbin erteilte hierzu zwar ihre Zustimmung, befand sich zu diesem Zeitpunkt aber aufgrund ihres Alters in einem körperlich schwachen Zustand. Ein später eingeholtes Sachverständigengutachten stellte fest, dass der tatsächliche Marktwert des Grundstücks bei 195.000 EUR lag. Als ihr klar wurde, dass der Verkauf deutlich unterhalb des Marktwerts erfolgt ist, verweigerte die Erbin die Herausgabe des Schlüssels und ließ sogar die Schlösser austauschen. Der Erwerber der Immobilie verlangte daraufhin die Herausgabe des Hauses. Der Mann war mit diesem Herausgabeverlangen nicht erfolgreich, denn das OLG stellte klar, dass der Kaufvertrag sittenwidrig sei und der Kläger daher keinen Anspruch auf Übereignung des Hauses habe. Zwar könne ein Testamentsvollstrecker einen Nachlassgegenstand auch unter Wert verkaufen, sofern die Erbin dem Geschäft zustimme. Hierfür sei aber erforderlich, dass die Zustimmung frei erfolge und die Erbin ausreichend informiert wurde. Sofern eine Zustimmung aber unter sittenwidrigen Umständen eingeholt wird, kann dies zu einer Nichtigkeit des Vertrags führen. Das OLG stellte hierbei fest, dass ein grobes Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert der Immobilie vorlag. Der tatsächliche Preis lag unterhalb von 50 % des Marktwerts, was ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung darstellte. Zudem sei die Erbin aufgrund ihres Alters und ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung stark eingeschränkt gewesen. Sie selbst habe sich zunächst auf eine Preisvorstellung Dritter berufen, die es so tatsächlich nie gegeben hat. Der Testamentsvollstrecker habe sich ohne eine Prüfung auf diese Angaben der Erbin verlassen. Auch der Kläger hätte erkennen müssen, dass es ein grobes Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem tatsächlichen Marktwert gegeben habe. Ein Bemühen um eine eigene Bewertung habe es durch den Erwerber nicht gegeben. Hinweis: Ein als sittenwidrig eingestufter Kaufvertrag macht die Eigentumsübertragung zwar nicht per se unwirksam. Wenn allerdings auch die Zustimmung zur Eigentumsübertragung unter sittenwidrigen Umständen erfolgt ist, führt dies auch zur Unwirksamkeit der Eigentumsübertragung selbst. Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 24.07.2025 - 2 U 30/23
(aus: Ausgabe 10/2025)
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