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Aufsichtspflicht hat Grenzen: Keine Notwendigkeit der Begleitung eines "radfahrerfahrenen" Erstklässlers
Eltern haften für ihre Kinder - meistens. Denn dass diese Regel nicht in Stein gemeißelt ist, zeigt der folgende Fall des Amtsgerichts Kempten (AG). Hier ging es um ein Schulkind, das trotz jungen Alters schon einige Erfahrungen als Radfahrer aufweisen konnte. Was in einem Fall eines solchen "alten Hasen" im Alter eines Erstklässlers im Ernstfall passiert, lesen Sie hier.
Der 7,5 Jahre alte Junge befuhr auf seinem Schulweg unbeaufsichtigt eine Straße mit dem Fahrrad. Von einer Straße, die von links einmündete, kam eine Autofahrerin, um ihrerseits rechts abzubiegen. An der Einbiegung hielt sie ihr Fahrzeug an, doch der Junge fuhr vorne rechts in ihr Fahrzeug. Dabei entstand ein Schaden von 628 EUR, und diesen verlangte die Autofahrerin von den Eltern des Jungen bzw. der privaten Haftpflichtversicherung ersetzt. Die Eltern beriefen sich jedoch darauf, dass sie ihrer Aufsichtspflicht durchaus nachgekommen seien. Der Junge sei schließlich erfahren im Fahrradfahren, er fahre bereits seit geraumer Zeit alleine zur Schule und zu Freunden in der näheren Umgebung. In diesem ihm vertrauten Bereich sei es auch zur Kollision gekommen. Im Zusammenhang mit einer Schulweghelfertätigkeit habe die Mutter auch Gelegenheit gehabt, das Kind in seinem Verhalten im Straßenverkehr zu beobachten.
Das AG wies die Klage ab, da nach dessen Auffassung keine Aufsichtspflichtverletzung durch die Eltern vorlag. Es konnte dem Gericht glaubhaft gemacht werden, dass der Junge im Verkehr erfahren gewesen und von seinen Eltern schon beim Besuch des Kindergartens begleitet und angeleitet worden sei. Die Eltern hatten Gelegenheit, das Verhalten ihres Sohns auch im Rahmen der Schulweghelfertätigkeit zu beobachten. Die Strecke sei dem Jungen vertraut gewesen, es habe daher keine Notwendigkeit bestanden, den Jungen zu begleiten.
Hinweis: In welchem Umfang die elterliche Aufsichtspflicht über am Straßenverkehr teilnehmende Kinder ausgeübt werden muss, hängt von vielen Faktoren ab, wobei das Alter des Kinds eine maßgebliche Rolle spielt, ohne dass diesbezüglich jedoch eine rein schematische Betrachtung zulässig wäre. Ungeachtet dessen ist festzustellen, dass bei einem Schulkind einer unbeaufsichtigten Teilnahme am Straßenverkehr auf vertrauten Strecken in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Elternhaus - erst recht in einem Wohngebiet ohne Durchgangsverkehr - grundsätzlich keine Bedenken entgegenstehen.
Quelle: AG Kempten, Urt. v. 19.02.2025 - 7 C 735/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
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