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Gefälschte Fahrzeugunterlagen: Herausgabepflicht der Originalunterlagen nach gutgläubigem Erwerb

Der sogenannte gutgläubige Erwerb von einem Nichtberechtigen soll als Instrument des Zivilrechts jene Käufer schützen, die eine Sache von jemandem erwerben, der sich anhand eines Dokuments als Eigentümer ausweisen kann, ohne tatsächlich Eigentümer an der zu veräußernden Sache zu sein. Man erwirbt eine Sache also im guten Glauben, dass alles seine Richtigkeit hat. Der folgende Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte, macht diese trockene Rechtstheorie praktisch erfassbar: Wer ein Auto in einem Autohaus kauft und von diesem die Zulassungsbescheinigung Teil II - vormals "Kraftfahrzeugbrief" - erhält, darf auch auf die Herausgabe der Orignaldokumente bestehen, wenn sich die Bescheinigung als gut gemachte Fälschung herausgestellt hat.

Die Klägerin kaufte im März 2019 unter Einschaltung eines Vermittlers ein Fahrzeug von einem Autohaus, bei dem das Fahrzeug stand. Nach Zahlung des Kaufpreises holte der Vermittler das Auto bei dem Autohaus ab und überbrachte es der Klägerin. Dann war jedoch zwischen den Parteien streitig, ob dem Vermittler statt dem Original lediglich eine hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war. Denn Eigentümerin des Fahrzeugs war die nun Beklagte, die es an das Autohaus verleast hatte und die auch im Besitz der echten Zulassungsbescheinigung war. "Beklagte" war die Leasingfirma nun eben deshalb, weil sie von der Klägerin auf die Herausgabe des Originaldokuments verklagt wurde. Das zunächst zuständige Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatte der auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II gerichteten Klage auch stattgegeben.

Der BGH hat die Entscheidung des OLG bestätigt. Die Klägerin kann von der Beklagten die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen, weil sie Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist. Die ursprüngliche Eigentümerin des Fahrzeugs war zwar die Beklagte, zwischen der Klägerin und dem Autohaus hatte aber eine Einigung über den Eigentumserwerb am Fahrzeug stattgefunden. Weil das Fahrzeug dem Autohaus als Veräußerer jedoch nicht gehörte, konnte die Klägerin das Eigentum nur gutgläubig erwerben. Dass die Klägerin nicht "in gutem Glauben" war, hätte dabei die Beklagte beweisen müssen - und eben das gelang ihr nicht.

Hinweis: Der Gesetzgeber hat die fehlende Gutgläubigkeit im Verkehrsinteresse bewusst als Ausschließungsgrund ausgestaltet. Wer sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, muss die Erwerbsvoraussetzungen (Einigung und Übergabe) beweisen, nicht aber seine Gutgläubigkeit. Diese Beweislastverteilung gilt auch, wenn die fehlende Gutgläubigkeit des Erwerbers - wie hier - darauf gestützt wird, beim Fahrzeugerwerb habe die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegen. Zwar gehört es zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs, dass sich der Erwerber das Dokument vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Wird dem Erwerber aber eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt, treffen ihn - sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch keine anderen Verdachtsmomente vorlagen - keine weiteren Nachforschungspflichten.


Quelle: BGH, Urt. v. 23.09.2022 - V ZR 148/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2022)

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