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Fiktives Einkommen: Anrechnung des theoretischen Mindestlohns bei Anspruch auf Aufstockungsunterhalt

Der Streit um die sogenannten fiktiven Einkünfte ist in der Praxis immer wieder ein großes Problem. Der Ehegatte, der Unterhalt zahlen soll, macht geltend, der andere könnte sein benötigtes Geld selbst verdienen.

Ist ein Ehegatte der Ansicht, ihm stehe für die Zeit nach der Scheidung Unterhalt zu, ist dies nur dann zutreffend, wenn er seinen anzuerkennenden Bedarf selbst nicht verdient bzw. verdienen kann. Was aber gilt, wenn der Unterhaltspflichtige dem Unterhaltsbegünstigten gegenüber geltend macht, dieser könne selbst ausreichend verdienen, wenn er sich nur bemühe? Der andere hält meist dagegen, er bewerbe sich ja, habe aber keinen Erfolg. Wenn dann der Streit darüber entbrennt, ob die Bewerbungsbemühungen ausreichend sind, wird oft vorgetragen, es sei nahezu aussichtslos, sich zu bewerben, da die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu gering seien.

Mit der Einführung des Mindestlohns von 8,50 EUR/Stunde und aufgrund der Tatsache, dass es einem Menschen mittleren Erwerbsalters (bis ca. 50 Jahre) zugetraut werden kann, auch als Ungelernter eine Stelle zu finden, wird ihm auf dieser Basis ein fiktives Einkommen als mit ausreichender Bemühung erzielbar zugerechnet - somit etwa 1.500 EUR/Monat brutto, knapp 1.100 EUR/Monat netto. Wer also im mittleren Erwerbsalter keiner Arbeit nachgeht und Unterhalt begehrt, muss damit rechnen, behandelt zu werden, als verdiene er knapp 1.100 EUR netto.

Hinweis: Der genannte Betrag ist der Mindestbetrag; er gilt für ungelernte Kräfte. Wer eine qualifizierte Ausbildung hat, kann in der Regel mehr verdienen. Deshalb tut derjenige, der Unterhalt verlangt, gut daran, seine Bemühungen um eine Arbeitsstelle intensiv zu betreiben und diese auch exakt zu dokumentieren.


Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 07.08.2014 - 9 UF 159/13
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 11/2014)

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