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Elterliche Sorge: Das Vorleben streng islamischer Werte widerspricht nicht dem Alleinsorgeanspruch

Die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder soll nach Möglichkeit von den Eltern auch gemeinsam ausgeübt werden. Miteinander verheiratete Eltern besitzen diese gemeinsame elterliche Sorge von Gesetzes wegen automatisch. Bei nicht miteinander verheirateten Eltern soll der Vater heutzutage die elterliche Sorge erleichtert miteingeräumt bekommen. Was aber gilt, wenn die Wertevorstellungen der Eltern völlig verschieden (geworden) sind?

Dieser Frage wendete sich das Oberlandesgericht Hamm zu: Die Kindeseltern kannten sich nur kurz, als die Frau schwanger wurde. Der Vater, ein Nigerianer, lebte erst kurze Zeit in Deutschland. Die Mutter ist Deutsche. Verheiratet waren die Eltern nicht, hatten aber eine Erklärung abgegeben, wonach es zur gemeinsamen elterlichen Sorge kam. Alsbald trennten sich die Eltern jedoch wieder. Die Frau beantragte die Übertragung der elterlichen Sorge allein auf sich. Im Laufe des Verfahrens wendete sie sich dem Islam zu. Sie konvertierte, heiratete nach islamischem Recht und trägt seitdem eine Vollverschleierung.

Die elterliche Sorge wurde auf die Frau allein übertragen.

Maßgeblich stellte das Gericht darauf ab, dass das Kind unterdessen seit acht Jahren von der Mutter betreut und erzogen wurde. Kontakt mit dem Vater lehnte das Kind ab. Eine kommunikative Basis zwischen den Eltern fehlte aufgrund der unterschiedlichen Wert- und Erziehungsvorstellungen. Die Freizeitgestaltung des Kindes ist als den kindlichen Bedürfnissen entsprechend festgestellt worden, ebenso liegt die volle soziale Integration vor. Da sich der Kindesvater dagegen nicht einmal beim Verfahrenspfleger für ein Gespräch gemeldet hatte, war die elterliche Sorge auf die Mutter allein zu übertragen.

Hinweis: Die Entscheidung zeigt, dass sich die Rechtsprechung aus der religiösen Orientierung der Eltern nach Möglichkeit heraushält. Der Vater hatte sich schlicht und ergreifend nicht um das Verfahren gekümmert. Die Mutter konnte für sich in Anspruch nehmen, dem Kind Kontinuität zu bieten und es kindgerecht zu erziehen. Die konträre religiöse Ausrichtung der Eltern verhinderte hierbei die gemeinsame elterliche Sorge.


Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 12.05.2017 - II-4 UF 94/16
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 11/2017)

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