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Auslegung eines Verteilungstestaments: Die Bezeichnung "Haupterbe" stellt nicht automatisch eine Alleinerbeneinsetzung dar

In handschriftlichen Testamenten werden häufig einzelne Vermögensmassen oder Gegenstände an verschiedene Personen verteilt. Bei solchen sogenannten "Verteilungstestamenten" kann die Ermittlung des Erblasserwillens jedoch sehr schwierig sein, da die Verfügungen aus juristischer Sicht eine Alleinerben- oder Miterbeneinsetzung, Vermächtnisse oder Erbeinsetzungen auf Quoten oder Ähnliches darstellen können.

Ein Mann setzte einen Bekannten in seinem Testament "als Haupterben” ein und beauftragte diesen mit der Durchführung von mit der Erbschaft verbundenen Aufgaben wie Wohnungsauflösung, Kündigungen von Versicherungen, Beerdigung usw. Für diese Arbeiten sollte der Bekannte einen größeren Geldbetrag erhalten. Sein restliches Vermögen verteilte der Erblasser an diesen Bekannten sowie weitere Personen nach bestimmten Quoten zwischen 5 % und 20 %. Ferner bestimmte er, wer einzelne konkrete Gegenstände erhalten solle. Letztendlich stellte sich die Frage, ob der Bekannte Alleinerbe geworden war.

Das Gericht sah in dem Testament eine Erbeinsetzung mehrerer Miterben nach Quoten und damit keine Einsetzung des Bekannten als Alleinerbe oder der übrigen Bedachten als Vermächtnisnehmer. Es wies darauf hin, dass für den Fall, dass der Erblasser das vorhandene Vermögen nach Quoten auf einzelne Bedachte verteilt, grundsätzlich eine Erbeinsetzung anzunehmen ist. Die Zuwendung eines Bruchteils des Erblasservermögens muss zwar nicht in jedem Fall eine Erbeinsetzung darstellen; sie kann auch als Quotenvermächtnis verstanden werden, durch das dem oder den Erben die Auszahlung eines dem Bruchteil entsprechenden Teils des Nachlasswerts an den Bedachten auferlegt wird. Im vorliegenden Fall gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bekannte Alleinerbe werden sollte. Insbesondere war die ihm zugewandte Vermögensquote erheblich geringer als die anderer Bedachter. Daran änderte auch die Bezeichnung "Haupterbe" nichts.

Hinweis: Nach der gesetzlichen Auslegungsregel ist eine Verfügung dann als Erbeinsetzung anzusehen, wenn der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens einem Bedachten zugewandt hat - auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist. Sobald dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewandt worden sind, ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass er Erbe sein soll - auch wenn er als solcher bezeichnet wurde. Diese Auslegungsregel greift nicht, wenn die Auslegung des Testaments ergibt, dass trotz Zuwendung nur einzelner Gegenstände dennoch eine Erbeinsetzung der mit diesen Gegenständen Bedachten anzunehmen ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Erblasser sein Vermögen vollständig den einzelnen Vermögensgegenständen nach verteilt hat, wenn er dem Bedachten die Gegenstände zugewendet hat, die nach seiner Vorstellung das Hauptvermögen bilden, oder nur Vermächtnisnehmer vorhanden wären und nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen wollte. Entscheidend sind im Einzelfall also immer die Umstände und Beweisbarkeiten.


Quelle: KG, Beschl. v. 31.01.2018 - 26 W 57/16
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 07/2018)

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